Wir leben ja in ganz wunderbaren Zeiten, zumindest was die Produktion von Musik angeht. Ich will jetzt gar nicht wieder davon anfangen, wie schwer wir es früher hatten, unsere Instrumente einigermaßen brauchbar auf Tape festzuhalten. Die Digitalisierung hat auch ein paar gute Seiten und das Produzieren von Musik gehört sicherlich dazu.
Mittlerweile ist es sogar möglich gut klingende Songs zu produzieren, ohne großartig Geld für Software auszugeben. Was benötigt man denn wirklich? Das hängt natürlich auch immer vom Genre ab und von den eigenen Vorlieben, aber im Grunde braucht man eine DAW (Digital Audio Workstation), in der man seine einzelnen Spuren aufnimmt und später abmischt. Man benötigt ein paar grundlegende Effektplugins und eventuell diverse Instrumente, wenn man vieles direkt in der DAW machen will.
All das kann man mittlerweile kostenlos bekommen. Viele Hersteller von DAWs, Softwareeffekten und -instrumenten bieten auch freie Produkte an, die für die meisten Sachen komplett ausreichen, auch wenn die Marketingabteilungen uns immer wieder etwas anderes einreden wollen. Ich will an dieser Stelle mal die Tools vorstellen, die ich installieren würde, wenn ich Musik am Rechner produzieren will und dafür keinen Cent ausgeben möchte.
Die DAW
Viele Softwareschmieden bieten abgespeckte Versionen ihrer großen DAWs an. In meinen Augen gibt es derzeit nur eine DAW, die wirklich komplett kostenlos und nicht wirklich eingeschränkt ist. Das ist Tracktion’s Waveform Free. Klar gibt es davon auch eine kostenpflichtige Version, die bietet aber dann mehr Plugins und Instrumente und ist hier und da vielleicht etwas komfortabler zu bedienen. Aber Waveform Free bietet alles, was man zum Produzieren von Musik am Rechner benötigt. Man kann Plugins von Dittanbietern nutzen und ist bei der Anzahl der verfügbaren Spuren nicht eingeschränkt.
Ich habe hier schon oft etwas zu Waveform geschrieben und mittlerweile ist man bei Version 12.5 angelangt. Gegenüber älteren Versionen hat sich auf jeden Fall einiges in Bezug auf die Stabilität getan. Ich hatte bei Vorgängerversionen hier und da schonmal einen Absturz, was natürlich an den Nerven zerrt. Aber seit der Version 12 läuft die Software wesentlich stabiler.
Was bietet die DAW?
Waveform Free bietet alles, was man benötigt. Eine unendliche Anzahl an Spuren, egal ob Audio- oder Instrumententracks. Genügend Möglichkeiten Midi- und Audiodaten zu editieren. Es gibt einen Mixer und einige essentielle Effekte, die man aber problemlos mit diversen Plugins anderer Hersteller erweitern kann.
Es gibt einen brauchbaren Browser für Plugins, Samples und Presets, die Möglichkeit der Automation und es gibt einen LFO zum Modulieren von irgendwelchen Parametern, sowie ein Plugin Rack, um Plugins zu kombinieren. Was braucht man mehr? Alles andere wäre nur unnötiger Luxus, der der Kreativität eher hinderlich wäre … wenn man mal ehrlich ist.
Instrumente
Zum Musizieren im Rechner braucht man eventuell ein paar virtuelle Instrumente. Es sei denn, man hat ein paar gute Mikrofone und nimmt „echte“ Instrumente auf. Ich persönlich mache das nur mit der Gitarre und dem Bass. Falls ich weitere Instrumente einsetze (meistens Drums, Pianos und diverse Samples), dann nutze ich Instrumenten-Plugins. Waveform Free kommt nur mit einem einfachen Synthesizer und einem ganz einfachen Sampler.
Aber man kann ja zusätzliche Plugins installieren und in Waveform nutzen. Empfehlenswert sind in jedem Fall die folgenden:
Spitfire Audio LABS
LABS ist ein kostenloser Rompler mit unglaublich vielen Instrumenten, den Spitfire Audio kostenlos zur Verfügung stellt und auch ständig mit coolen Sachen erweitert. Man hat hier einige Drumkits, Pianos, Streicher, diverse Synths, Found Sounds und abgefahrene Ambient Sounds.
Derzeit gibt es 60 verschiedene Instrumente. Wenn man alle installieren will, sollte man allerdings etwas Platz auf der Festplatte frei haben.
Decent Sampler
Der Decent Sampler, den ich hier schon einmal vorgestellt habe, ist ein netter kleiner Sampler, der mittlerweile über eine riesige und stets wachsende Bibliothek an kostenlosen Instrumenten verfügt. Dank dem Pianobook Projekt findet man diese alle an einem Ort im Netz.
Dieser Sampler ist nicht nur ein Rompler. Man kann auch seine eigenen Instrumente erstellen. Wie das funktioniert habe ich hier schon einmal beschrieben.
Cardinal (VCV Rack)
Cardinal ist ein Open Source Projekt, dass auf dem VCV Rack basiert. VCV Rack hat seit der Version 2 neben der Standalone App ein Plugin für die DAW herausgebracht, dass allerdings kostenpflichtig ist. Cardinal bietet solch ein Plugin kostenlos an. Der Nachteil: Man kann die Module nicht selbst wählen und erweitern. Man muss die Module nehmen, die der Entwickler eingebaut hat. Die Auswahl ist aber enorm!
Derzeit sind über 1.000 Module verfügbar. Cardinal bzw. das VCV Rack ist ein modularer Synthesizer in Softwareform, also eher etwas für Freaks.
Vital
Vital ist ein Wavetable Synthesizer, den ich hier schon einmal vorgestellt habe. Ein sehr mächtiges Instrument, dass locker mit den großen Platzhirschen dieses Genres mithalten kann. Allein die Effekte sind super.
Damit wäre ich mit den Instrumenten auch schon durch. Mehr benötigt man eigentlich nicht. Klar, es kommt immer darauf an, was man machen will. Aber mit diesen Instrumenten ist man für einige Genres gut gerüstet. Man kann lieber eine Handvoll Instrumente gut beherrschen, als endlos viele Instrumente überhaupt nicht.
Die Effekte
Effekte sind wichtig. Zum Produzieren von Musik benötigt man zumindest einen EQ, Kompressor, Reverb und vielleicht Delay und Distortion. Waveform hat einige dieser FX mit an Bord. Wenn man ganz minimalistisch bleiben will, kommt man damit sicherlich zurecht. Falls man aber auch mal ein wenig Herumexperimentieren will und etwas Sound Design betreiben mag, dann empfehle ich zumindest die folgenden Effekte.
Kilohearts Essentials Bundle
Kilohearts ist vor allen Dingen für ihren kostenpflichtigen Synthesizer Phase Plant bekannt. Zusätzlich haben sie einige richtig gute kleine Effekte veröffentlicht, die es seit kurzer Zeit auch teilweise kostenlos gibt. Das Essentials Bundle besteht zur Zeit aus 32 richtig brauchbaren Effektplugins.
Unglaublich, dass diese Sammlung keinen Cent kostet. Allein der Transient Shaper, der Tape Stop Effekt und Formant Filter sind der Download wert. Die Sammlung ist perfekt für den Einsatz in Waveform Free.
Valhalla Supermassive
Valhalla ist ja bekannt für richtig gute Reverb Algorithmen. Supermassive ist eine Mischung aus Delay und Reverb und ist komplett kostenlos.
Chowdhury DSP Plugins
Jatin Chowdhury hat den Drang nützliche Audio Tools zu programmieren und diese einem möglichst großen Publikum zur Verfügung zu stellen. Deshalb kosten alle seine Plugins keinen Cent. Mittlerweile hat er 7 Plugins herausgebracht. Besonders hervorheben möchte ich hier das Chow Tape Model (super Tape Emulation), die Chow Matrix (Delay Effekt) und das Chow Multi Tool (mit einem guten EQ)
Cardinal (schon wieder)
Häh? Das hatten wir doch schon bei den Instrumenten? Ja, stimmt. Cardinal ist ein modularer Synthesizer, der über mahr als 1.000 Module verfügt. Darunter sind auch eine wunderbare Auswahl an Effekten. Die Chowdhury Plugins sind dort auch vertreten und allein die SurgeXT Module sind die Installation wert! Ich denke dazu werde ich nochmal einen eigenen Blogpost schreiben…
Neural Amp Modeler
Ok, das ist ein virtueller Gitarren Amp. Der NAM wurde an dieser Stelle schon von mir beschrieben. Das Teil ist denkbar einfach aufgebaut, aber die Bibliothek an verfügbaren Amps ist enorm.
Ein Gitarrenverstärker muss man nicht unbedingt nur für die Gitarre verwenden, er läßt sich auch ganz wunderbar hinter einen Synthesizer schalten oder machen aus diversen Found Sounds herrlichen Krach…
Fazit
All das oben beschriebene kostet absolut nichts. Höchstens etwas Zeit und Platz zum Installieren und natürlich Zeit zum Erlernen. Falls man aber schon vorher mit ähnlichen Tools gearbeitet hat, wird man sich schnell zurecht finden. Es ist schon Wahnsinn, was man heute für kein Geld bekommt, wenn ich daran zurückdenke, was damals ein 4-Spur-Tapedeck gekostet hat, oder diverse Hardware Effekte…
Klar, die erwähnte DAW verfügt nicht über so umfangreiche Tools und Helfer wie viele der kostenpflichtigen DAWs. Das muss aber nicht unbedingt ein Nachteil sein. Wenn ich an DAWs wie Bitwig Studio, Ableton Live, Studio One oder auch Reason denke, da wird mir fast schwindelig bei den ganzen Features (und auch, wenn ich sehe wie oft ich schon die DAW gewechselt habe … und was das alles gekostet hat). Und jedes Update bringt mehr Zeugs, damit die User auch ja wieder ein Update kaufen.
Ich merke immer wieder, dass weniger doch mehr ist und man sich viel zu verrückt macht mit Updates und News. Bessere Musik macht man damit sicherlich nicht. Ich denke, es ist viel sinnvoller sich die einfachen und grundlegenden Sachen anzueignen und speziellere Techniken kreativ mit den Mitteln zu lösen, die man zur Verfügung hat. Aus diesem Grund stellt Waveform Free mit diversen kostenlosen Plugins in meinen Augen eine gute Basis dar, um ein paar gute Songs zu recorden … und das Bankkonto wird ebenfalls etwas geschont 😉
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