Die kurze Antwort: ja. Zumindest was die Software angeht, kann man ohne einen Cent auszugeben Musik aufnehmen, programmieren und mischen. Man benötigt natürlich einen geeigneten Rechner und entsprechend der Musikrichtung vielleicht noch andere Hardware (Mikrofon, Gitarre, Bass …). Aber ich will mich in diesem Beitrag nur auf die Software beschränken.

Digitale Audioworkstations (DAWs), die absolut nichts kosten und keinerlei Einschränkungen mitbringen, gibt es nicht wirklich viele. Mit Einschränkungen meine ich z.B. begrenzte Anzahl der Spuren, keine Unterstützung von VST-Plugins oder zeitlich begrenzt nutzbar. Die einzige DAW ohne Einschränkungen, die auf mehreren Systemen (Win, Mac, Linux) lauffähig ist, Audio und Midi unterstützt und wirklich nicht einen Cent kostet, ist Tracktion T6.

Tracktion T6 ist eine echte ausgewachsene DAW für lau.

Viele Anbieter großer DAWs bieten abgespeckte Versionen ihrer Workstations an, die den User aber meiner Meinung nach zu sehr einschränken. Eine weitere gute Lösung für den Einsteiger ist Reaper. Reaper kann man 60 Tage lang uneingeschränkt nutzen. Selbst nach dieser Frist wird die Funktion nicht eingeschränkt, man wird lediglich bei jedem Start daran erinnert, die Software zu kaufen. Und Reaper ist wirklich verdammt günstig, wenn man bedenkt was man alles bekommt.

Außerdem wäre noch Ardour zu nennen. Hier kann man selbst entscheiden wieviel mal bezahlen möchte, wenn man allerdings weniger als 50 € geben will, bekommt man (zurecht) ein schlechtes Gewissen eingeredet. Zu Ardour kann ich allerdings nicht viel sagen, weil ich es nie getestet habe. Hier soll es jetzt um Tracktion T6 gehen.

Zunächst einmal sei angemerkt, dass jede Musiksoftware ihre Einarbeitungszeit braucht. Egal, ob sie 600 € kostet oder absolut frei downloadbar ist, man muss sich einarbeiten … immer. Wenn man sich erstmal mit ein oder zwei DAWs beschäftigt hat, findet man sich in anderen Produkten sicherlich schneller zurecht. Aber wenn man noch nie in einer DAW gearbeitet hat, ist es völlig egal mit welcher man einsteigt. Man wird immer etwas Zeit investieren müssen.

Ganz kurz zum Hintergrund von Tracktion

Julian Storer, ein findiger C++ Programmierer, hat die Tracktion DAW im Jahre 2002 im Alleingang ins Leben gerufen.  Im folgenden Jahr hat Mackie das Projekt dann übernommen und 2008 ist alles den Bach heruntergegangen. Mackie hat Tracktion vernachlässigt und die User waren verärgert.

2013 hat Julian dann das Ruder wieder in die Hand genommen, die Tracktion Software Foundation (TSC) gegründet, alle Bugs in der DAW beseitigt und mit Version 4 wieder auf Kurs gebracht. Immer mehr Features wurden mit den Versionen 5 und 6 hinzugefügt und Tracktion wurde eine ernstzunehmende DAW für die Konkurrenz.

2016 kam T7 auf den Markt, in der die Oberfläche modernisiert wurde und 2017 kam dann T8, die seitdem den Namen Waveform trägt. Seit der Version 8 ist  T6 dann frei verfügbar gemacht worden. Ich glaube es war sogar immer so, dass die DAW zwei Versionen hinter der aktuellsten umsonst war. Zumindest kann ich mich an eine freie T5 erinnern, bei der ich aber damals Probleme mit der Registrierung hatte … womit wir auch gleich beim wichtigsten Punkt gelandet wären:

Wie komme ich an T6 und wie installiere ich es?

Über diesen Link gelangt man direkt zu der Website der freien Version 6. Dort kann man auch gleich nachlesen, warum die DAW kostenlos ist. Tracktion hofft halt, dass die User die neuesten Features haben wollen und deswegen zu Waveform greifen, die auch relativ günstig zu kaufen ist. DAW Benutzer sind eine spezielle Form von Individuen, die eigentlich immer nur darauf warten, dass neue Features zu ihrer Lieblingssoftware hinzugefügt werden. Das weiß Tracktion anscheinend und deswegen gehen sie einfach davon aus, dass man irgendwann gar nicht anders kann und zur neuesten Version greift. 😉

Logischerweise muss man sich erstmal auf der Website registrieren. Die email-Adresse und das Passwort sollte man sich merken, denn damit schaltet man später die DAW frei. Irgendwann gelangt man dann zum Downloadbereich.

Tracktion T6 gibt es für alle drei wichtigen Betriebssysteme.

Tracktion gehört zu den wenigen DAWs, die es für alle drei Betriebssysteme gibt (Win, Mac und Linux). Das finde ich schonmal recht sympathisch. Rechts auf dieser Seite gibt es auch noch einen Link zu einigen Tutorialvideos. Auch für T6 gibt es einige Tutorials, die jedem Anfänger sicherlich weiterhelfen.

Der Download geht recht schnell, weil die DAW relativ klein ist und kein Extra Content mitbringt, aber dazu gleich mehr. Nach der Installation muss man seine Registrierungsdaten (email / Passwort) nochmal eingeben … fertig.

Zunächst landet man in den Einstellungen und hier sollte man erstmal die grundlegenden Sachen erledigen: Audiotreiber und Ein- bzw Ausgangskanäle auswählen, Midi-Controller einstellen, Plugins importieren, Farbschema und Sprache anpassen … Da viele Anfänger hier vielleicht schon überfordert sind, will ich an dieser Stelle die Nachteile von Tracktion T6 nennen:

  1. Es gibt kein offizielles Handbuch.
  2. Tracktion T6 kommt ohne Instrumente oder Samples

Punkt 1 ist sicherlich ein Nachteil. Die Video Tutorials sind wirklich gut und es gibt im Netz auf YouTube und in Foren sicherlich genug Hilfe, aber ein Handbuch wäre wirklich gut. Aber hey, das ganze ist umsonst, deswegen sollte sich keiner beschweren. Falls man tatsächlich ohne Buch nicht weiterkommt kann man immer noch zu einer Lösung greifen, die allerdings etwas kostet. Bill Edstrom schreibt seit einigen Jahren die inoffiziellen Handbücher der Tracktion DAWs. Man kann selber entscheiden, was man zahlen möchte und ich habe gerade gesehen, dass man das T6er Handbuch auch umsonst bekommen kann. Fein.

Das inoffizielle Handbuch zu Tracktion T6

Punkt 2 ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn alle anderen großen DAWs kommen sowieso mit zu viel Zeugs daher. Da weiß man nachher gar nicht, wo man anfangen soll. T6 hat einige grundlegende Audio Effekte (Reverb, EQ, Chorus …), mit denen man sich erstmal vertraut machen sollte. Außerdem gibt es einen Sampler, der allerdings so richtig …. wie soll ich sagen? Es macht keinen Sinn ihn zu benutzen.

Grundlegende Instrumente für den Einsteiger

Es geht ja hier um die Frage, ob es möglich ist, ohne Geld für Software auszugeben, am Rechner Musik zu machen? Daher will ich an dieser Stelle noch einige freie Downloads nennen, die einem helfen am Anfang ein paar grundlegende Instrumente zur Hand zu haben und sofort mit dem Musizieren zu beginnen.

An erster Stelle will ich Kontakt von Native Instruments nennen. Normalerweise ist Kontakt einer der mächtigsten und bekanntesten Sampler auf dem Markt und die Vollversion kostet gleich mehrere hundert Taler. Es gibt aber einen freien Kontakt Player und eine abgespeckte Instrument Library, die man umsonst und uneingeschränkt nutzen kann.

Nette kleine Instrumentenbibliothek für umsonst

Auch hier muss man sich wieder registrieren, zusätzlich noch ein Tool herunterladen, in dem man die Instrument Library (Factory Selection) freischalten kann … ja das nervt alles, aber dafür kostet es keinen Cent und die kleine Auswahl an Instrumenten Samples ist wirklich zu gebrauchen. Wie das alles funktioniert, ist auf der Website und in den emails die man bekommt, gut erklärt.

Eine andere Alternative wäre die UVI Workstation. Ebenfalls ein Sample-Player, den man frei herunterladen kann (ohne großartiges Registrieren). Die Workstation bietet eine kleine Auswahl an Instrumenten, die aber mit dem Kontakt Player nicht ganz mithalten kann.

Das zweite Plugin, dass ich nur jedem ans Herz legen kann, ist die freie Version des TX16Wx Samplers. Da man mit Kontakt ja nur den Player bekommt und der Sampler von Tracktion weniger brauchbar ist, sollte man sich noch einen installieren. Der TX16Wx ist wirklich nicht schlecht und auch er ist natürlich umsonst. Falls man sich mit Samplern nicht auskennt, einfach mal googlen, den TX16Wx installieren und herumprobieren.

Die freie Version des TX16Wx Samplers ist wirklich brauchbar

Im Grunde hat man jetzt schon genug Krams zum Loslegen. Eine Sache könnte vielleicht noch ganz hilfreich sein, ein Synthesizer Plugin. Ich selber benutze fast nie einen Synthesizer, weil der Sampler mir genug Möglichkeiten bietet, aber trotzdem sollte man sich mit den Grundlagen der Synthese schon mal beschäftigt haben. Es gibt so einige freie Synth-Plugins im Netz, aber mir fällt als erstes der Synth1 ein. Das Plugin gibt es schon länger und es ist auch für den Mac erhältlich.

Grundlegender Synthesizer, der Synth1

Wie bereits erwähnt bringt Tracktion eine kleine Auswahl an Effekten mit. Es fehlen aber ganz grundlegende Sachen, wie z.B. ein Overdrive Effekt oder ein Bitcrusher. Aus diesem Grund würde ich an dieser Stelle noch das Free Effects Bundle von MeldaProductions empfehlen. Hier bekommt man noch das ein oder andere Plugin, dass einem dann eventuell doch fehlt. Ansonsten sind die Seiten des Bedroom Producer Blogs sehr zu empfehlen. In diesen Blog gibt es regelmäßig Tipps und Downloads zu freien Effekten und Instrumenten in Softwareform.

Fazit

Es gibt sie also doch, die DAW, die absolut nichts kostet. Die man uneingeschränkt nutzen kann und die auf allen Plattformen lauffähig ist. Falls man nur auf einem Mac zuhause ist, kann man natürlich zu der berühmtesten aller Freeware DAWs greifen: Garage Band. Hier hat man allerdings nicht die Möglichkeit VST Plugins einzubinden. Unter Linux gibt es noch Rosegarden, dass zwar auf den ersten Blick etwas altbacken aussieht, unter der Haube aber einiges zu bieten hat. Wer einen Windows Rechner sein Eigen nennt, kann auch mal einen Blick auf Podium Free werfen, dass nur die Prozessorleistung für Plugins drosselt.

Falls man einen eher unkonventionelleren, aber durchaus interessanten Weg gehen will, kann man sich auch mit Trackern beschäftigen. Wenn ich Tracker mit einem Satz beschreiben müsste, würde ich sagen: Sampler mit mächtigem Sequenzer. Tracker wurden in den 90ern aus der Not heraus gebaut, auf Amigas Musik in Spiele einzubinden. Sie gingen einen etwas anderen Weg, als die herkömmlichen DAWs, die man heute üblicherweise benutzt. Aber trotzdem kann man mit ihnen Musik produzieren und ich finde das Konzept wirklich interessant. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, dem sei dieser Wikipedia-Eintrag ans Herz gelegt. Der erste Freeware Tracker, der mir jetzt einfällt wäre SunVox. Es lohnt sich die Software mal näher zu betrachten.

Habe ich noch die ein oder andere DAW übersehen, die man frei benutzen kann? Meld‘ Dich doch in den Kommentaren oder schreib‘ mir per Twitter.