Vor kurzem habe ich hier etwas zu dem neuen Sample-Loop-Synthesizer Arcade von Output geschrieben und ich war recht begeistert von den Möglichkeiten. Ein Kommentar zu dem Artikel hat mich dann mal wieder ganz kurz auf den Boden geholt und ich habe mir in den letzten Tagen etwas Gedanken dazu gemacht…
Es dürfte wohl schon 25 Jahre her sein, dass ich angefangen habe Musik Krach zu machen. Ja, ich bin alt. Mein Kumpel brachte damals eine elektrische Gitarre nebst Verstärker und Verzerrer von irgendwo her mit und wollte, dass ich lernte diese zu bedienen. Er selbst würde dann Schlagzeug spielen wollen (übrigens machen wir noch heute in dieser Konstellation zusammen Musik 😉 ) Ich fand die Idee toll und versuchte mich an den 6 Saiten.
Wir wollten immer klingen wie unsere Helden damals: Metallica, Slayer, Megadeth. Haben es aber nie wirklich hinbekommen. Wenn man darüber nachdenkt, haben alle Bands hier aus der Region versucht so zu klingen wie ihre Helden. Später hat sich mein Musikgeschmack etwas geändert und die Indie Bands der 90er bis heute wurden / blieben meine Vorbilder: Pavement, Sebadoh, Sonic Youth, Radiohead oder Notwist.
Man orientierte sich nicht nur an den Sound seiner Idole, sondern ließ sich – meistens sogar unbewusst – auch von deren Songwriting inspirieren und beeinflussen. Eine Sache bleib allerdings immer ausser Frage: Die Instrumentierung. Es gab nie irgendeine Diskussion wegen der Instrumente. Es war immer klar, dass wir ein Drumset, ein oder zwei Gitarren und natürlich einen Bass benötigten. Ein Synthesizer wäre vielleicht noch möglich, sah auf der Bühne aber viel zu uncool aus.
Aber auch wenn die Instrumentierung und der Grundsound festgelegt war, gab es noch jede Menge an den Feinheiten zu schrauben. Welchen Gitarrenverstärker (Transistor, Röhre oder hybrid?), welche Effektpedale und wie werden diese geschaltet? Welche Saiten, wieviele Toms, welche Becken und wie hart musste das Plek sein? Fast fanatisch wurde auf diesen Details herumgeritten und teilweise wurde diese Soundfrage wichtiger als die Qualität des Songwritings.
Zur Jahrtausendwende waren dann die bezahlbaren Schreibtisch Computer endlich schnell genug und die Internetverbindungen ausreichend, um sich hier und da mal eine Raubkopie einer Recording Software zu besorgen … ja, wir waren jung und hatten kein Geld 😀 Bedienungsanleitungen lesen war verpönt und wir fummelten uns durch die teilweise komplexen Oberflächen von Cubase und Cakewalk. Mir war damals nur wichtig, dass ich Mehrspuraufnahmen machen, und ein wenig mit Standardeffekten, wie Reverb, Delay oder Verzerrung spielen konnte. Automation oder Midi war mit zu der Zeit noch fremd.
Zu der Zeit fing ich dann auch an ohne meine Bandkollegen zuhause an Songs zu basteln und diese in der digitalen Audioworkstation zusammenzubauen. Schlagzeugspielen konnte ich allerdings nicht. Aber es gab damals schon haufenweise CDs mit vorgefertigten Loops. Meistens waren dies zwei Takte eines Drumbeats, die man sich dann in der DAW zusammenpuzzlen konnte, bis alles zum Song passte. Trotzdem musste man immer irgendwie Kompromisse eingehen, denn wenn man in seinen Ideen irgendwelche Breaks oder seltsame Rhythmen nutzen wollte, wurde man nicht unbedingt fündig in seinen Loop-Bibliotheken. Daher verzichtete ich vielfach auf komplizierte und interessante Passagen.
Und genau da liegt der Hund begraben. Nicht nur Anfang der 2000er Jahre, sondern auch genau heute. Man macht sich abhängig von diesen Grenzen der Loops und Presets. Wenn man nicht fündig wird … wird es einfach weggelassen. Zumindest geht es mir so. Meistens klingen die Songs, in denen ich den Rhythmusteil mithilfe von Loops zusammen klicke eher … scheiss langweilig!
Und dabei wird es uns mittlerweile so einfach gemacht. Dank schnellerer Rechner und Unmengen an RAM und Festplattenspeicher kann ich mithilfe eines Software-Samplers jede Nuance eines echten Schlagzeugers mithilfe Gigabyte-großer Sample-Bibliotheken nachbilden. Ich muss diese zwar selber spielen (entweder mit einem Midi-Drumset), mithilfe eines anderen Midi-Controllers (Keyboards oder spezielle DrumPads) oder aber mithilfe der Programmierung in Midi-Clips. Das alles bedarf aber Übung und Geduld. Ich denke dieser Aufwand lohnt sich aber.
Ist das dann auch Cheaten, wenn ich gesamplete Dums nutze? Ich denke nicht. Die einzige Arbeit, die mir abgenommen wird, ist der Sound des Schlagzeugs, nicht das Spiel. Ich würde Mitch Mitchell nicht als Cheater bezeichnen, nur weil ein Tontechniker und ein Produzent sein Schlagzeug so gut „klingen“ lassen.
Ebenso würde ich niemals digitale Effekte verurteilen, selbst wenn man für diese Presets benutzt. Damit meine ich allgemeine Effekte in der DAW, wie z.B. einen Reverb, Delay oder Kompressor … oder aber auch spezielle Effekte für Instrumente, wie z.B. einen Amp-Modeler nebst virtueller Cabinet und Effektboard. Denn wenn ich über einen echten Verstärker spiele, drehe ich auch nur an Reglern und muss mich über die interne Elektronik nicht wirklich kümmern, geschweige denn etwas davon verstehen.
Die Mikrofonierung beim Recording überlasse ich entweder dem Tontechniker in einem Studio oder ich mache es selber, wenn ich mich damit auskenne und das Equipment besitze. Allerdings würde ich es nicht als Cheaten bezeichnen, wenn dies ein programmierter Algorithmus übernimmt.
Was ist nun mit Sample-Bibliotheken, die es mir erlauben eine Gitarre per Keyboard einzuspielen? Wie bereits an den vorherigen Absätzen zu erkennen war, geht es mir in erster Linie um gutes und eigenes Songwriting. Wie man seine Melodien, Breaks, Rhythmen und Arrangements zusammenbaue ist mir persönlich egal. Solange ich mir nicht einen Teil dieser Unterprozesse abnehmen lasse. Ich finde es völlig in Ordnung die einzelnen Sounds eines Drumsets in Sampleform zu benutzen, ebenso ist es völlig in Ordnung Presets eines Synthesizers zu nutzen (auch wenn diese schon tausendmal in verschiedenen Songs eingesetzt wurden, denn der Sound einer elektrischen Gitarre oder eines akustischen Schlagzeugs wurde auch schon milliardenfach benutzt…), solange ich keine vorgefertigten Melodien, Akkordfolgen oder Rhythmusteile einsetze!
Denn hier nimmt man sich einen essentiellen Teil der kreativen Arbeit an einem Musikstück ab und genau DAS würde ich dann als Cheaten bezeichnen.
Aus diesem Grund werde ich in Zukunft keine Sampleloops oder Tools wie Arcade mehr einsetzen, genauso wenig wie Midiloops in Drumsamplern wie Addictive Drums oder Kontakt. An dieser Stelle muss ich mich nochmal an den Kommentator des Arcade-Artikel bedanken, der mich nochmal zum Nachdenken gebracht hat. Manchmal ist man so versunken in seinen Tools und begeistert von den Möglichkeiten und auch von der immer schnelleren Entwicklung der Software im Audio-Bereich, dass man schnell mal das Wesentliche aus den Augen verliert.
Alle beschweren sich über die immer gleich klingende Musik im populären Bereich und man weiß, dass der Einsatz von Sampleloops daran nicht ganz unschuldig ist. Trotzdem kommen immer mehr Loop-Bibliotheken auf den Markt, die DAWs werden mit Gigabyte-großen Bibliotheken verkauft und das Anpassen der Tonhöhe und Geschwindigkeit von vorgefertigten Songteilen wird immer weiter verbessert.
Man muss ja nicht unbedingt alle Instrumente beherrschen, die man in seinen Songs einsetzt, aber man sollte sich zumindest seine eigenen Melodien und Rhythmen einfallen lassen.
Die Frage warum gerade Songs, die einer gewissen, einfachen Formel folgen besonders erfolgreich sind … wirft nicht gerade ein gutes Licht auf uns Musikhörer. Mehrere Studien haben herausgefunden, dass der 0815-Musikfan es lieber einfach und gewohnt mag. Das Radio trägt aber einen großen Teil dazu bei, dass wir einen Song, der anfangs vielleicht eher nervt, mit der Zeit in unser Herz schließen. Denn die ständige Wiederholung eines Musikstücks lässt uns irgendwann unsere Meinung ändern. Der Gruppenzwang trägt natürlich auch seinen Teil dazu bei, aber das ist ein anderes Thema.
Es ist nunmal nicht verwunderlich, dass viele „Künstler“ die eher auf den Erfolg abzielen als auf künstlerische Freiheit, Kreativität oder Individualität, sich einfacher, vorgefertigter Formeln bedienen. Wem kann man es also verübeln, wenn er / sie für das Benutzen von Loops auch noch belohnt wird?
Für mich persönlich ist die Musik ein Hobby, wenn auch ein sehr leidenschaftliches. Ich verdiene kein Geld mit ihr. Ich habe daher vielleicht relativ leicht Reden. Ich kann jeden verteufeln, der angepasste Scheisse produziert, weil es vielleicht sein Job ist. Ich bin aber trotzdem überzeugt, dass man auch mit Individualität und eigener, kreativer Arbeit an seiner Musik erfolgreich sein kann. Es gab immer wieder Künstler in der Vergangenheit, die das bewiesen haben…
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