Ich habe tatsächlich Reason das erste mal Anfang der 2000er benutzt. Damals war ich mitten im Informatikstudium und es gab dort eine kleine Clique, die sich speziell für’s Musikmachen am Rechner interessierte. In dieser Gruppe galt die aktuell erschienene erste Version von Reason 1.0 als heißer Scheiß. Schnell war eine Raubkopie (hey, wir waren Studenten) auf meiner Festplatte. Ich war fasziniert von dem, was ich auf dem Bildschirm sah, hatte aber keine Ahnung, wie ich damit umzugehen hatte.

Reason 11.3

20 Jahre später und Reason ist aktuell bei der Version 11. Seit den Anfängen hat sich Einiges geändert. In der Zwischenzeit hat man neben Midi-Spuren auch Audiospuren hinzugefügt, ein paar Jahre später (2017) dann hat Propellerheads Reason für VSTs geöffnet, denn anfangs war es nicht möglich VST-Instrumente oder -Effekte in Reason zu importieren.

Mit der Version 11 (2019) hat Propellerheads sich in Reason Studios umgetauft und aus dem Reason Rack (das Instrument- und Effekt-Rack) zusätzlich auch noch ein Plugin für andere DAWs gemacht! Damit hat Reason nochmal viele neue User angelockt und auch ich bin wieder aufmerksam geworden. Seit ein paar Tagen wurde das Geschäftsmodell auch nochmal geändert. Mittlerweile gibt es Reason+. Ein Subscription Modell, bei dem man 19,- Euro im Monat bezahlt (oder 199,- im Jahr) und immer die aktuelle Reason Suite hat.

Irgendwie springt ja jeder gerade auf den Subscription Trend auf und das macht die DAW auch für viele nochmal interessanter. Man hat vorher für die Reason Suite über 500,- Scheine hingelegt und musste dann bei jedem Major-Update wieder etwas bezahlen (wenn man denn updaten wollte) und jetzt bekommt man für 199,- oder eben knapp 230,- im Jahr immer die aktuelle Suite. Ob das auf lange Sicht billiger ist, weiß ich jetzt gar nicht. Die Barriere für den Einstieg ist aber erstmal viel niedriger.

Des Weiteren gibt es wohl wöchentlich neue Sound Packs und man hat alle Reason Studio Devices (derzeit 75!) zur Verfügung. Soweit ich gelesen habe kann man jederzeit kündigen. Wenn man sich aber erstmal an eine DAW gewöhnt hat oder bestimmte Effekte und Instrumente in den persönlichen Workflow einfließen, dann will man darauf so schnell nicht wieder verzichten. Man kann aber immer noch Reason kaufen. Es gibt nur keine Lite und keine Suite Version mehr. Außerdem kann man weiterhin die Rack Extensions dazu kaufen.

Ich habe mir nach knapp 20 Jahren also mal wieder eine Reason DAW auf die Festplatte kopiert und habe nun einen Monat Zeit diese zu testen…

Die Instrumente

Reason+ kommt mit haufenweise und erstklassigen Instrumenten daher. Ich hatte vorher bei keiner anderen DAW soviel Spaß mit den nativen Instrumenten. Allein der Kong Drum Designer, der Complex-1 Modularsynth, der Grain Sample Manipulator, NN-XT, Friktion und Parsec würden mich bei Laune halten, aber dann gibt es noch Klang, Pangea und Humana, die mit ihren organischen und akustischen Sounds viel Leben in Produktionen bringen.

Complex-01 … ein mächtiger kleiner Modular Synthesizer.

Ich mag außerdem die Tastenklänge von Radical Piano und Radical Keys. Für native Piano-Instrumente sind die mehr als gut, auch wenn in einschlägigen Foren viele Nutzer weniger begeistert klingen.

Außerdem gibt es diverse Schlagzeuginstrumente und Drum Machines. Die Reason Drum Kits bieten verschiedene akustische Drum Kits mit nützlichen Einstellmöglichkeiten, die mich ein wenig an die Drummer Serie für Kontakt von Native Instruments erinnern.

Reason Drum kits…

Mit der Rytmik Drum Machine, Umpf Club Drums und Umpf Retro Beats und natürlich dem guten alten Redrum hat man gleich vier spezielle Instrumente für elektronische Rhythmen.

Drum Machines….

Alle vier nutzen die riesige Sample Library von Reason+ und können natürlich auch mit eigenem Material gefüttert werden. Wer lieber komplett selber an seinen Drumsounds bastelt, der ist seit Jahren mit Kong bestens bedient. hier kann man entweder den kleinen NN-Nano mit Samplen bestücken oder mithilfe von speziellen DrumSynths und Physical Modelling Devices an eigenen Sounds schrauben. Diverse Effekte helfen beim Formen der Schlagzeug-Klänge.

Kong mit Sampler und Effekten…

Diese Auswahl kann man pro Pad vornehmen … Hier bleibt kein Wunsch offen. Selbstverständlich kann man auch den guten alten NN-XT Sampler nehmen und sich seine eigenen Instrumente samplen, egal ob Percussion, Tasteninstrument oder Found Sounds Experiment. Der Mult-Sampler lässt einen nicht im Stich.

Der gute alte Sampler….

Die Instrumente sind alle in dem typischen Rack-Design dargestellt und halt echter Hardware nachempfunden. Das muss man mögen oder eben nicht. Wer das absolut nicht ausstehen kann, der sollte lieber die Finger von Reason lassen.

Wie es sich für jede DAW gehört, gibt es natürlich noch Einiges an Synthesizer, die zum Sound Design einladen. Die Klassiker, wie Subtractor (Analog Synth), Malström (Graintable Synth) oder Thor (Polysonic Synth) sind schon seit einigen Jahren Standard-Devices in Reason.

Mit Europa, Grain Sample Manipulator, Complex-01, Friktion, Parsec und Scenic gibt es so viele neue Möglichkeiten Sounds zu kreieren, dass einem fast schwindelig wird.

Streichersounds….

Friktion emuliert Saiteninstrumente mithilfe des Physical Modeling. Ich habe in den letzten Jahren echt schon viele samplebasierte Streicher-Libraries ausprobiert. Soviel Spaß wie mit Friktion hatte ich dabei noch nie. Die verschiedenen Einstellungen reagieren wirklich gut und man kann sich schnell einen passenden Sound basteln.

Parsec ist ein Spectral Synthesizer und lädt zum Experimentieren ein. Also ein additiver Synthesizer, der zwar abgefahrene Möglichkeiten bietet, aber trotzdem ein einfach zu verstehendes User Interface besitzt.

Additiver Synthesizer

Ich könnte stundenlang von den Instrumente erzählen, denn ich habe noch längst nicht alles erwähnt. Daneben gibt es auch noch den alten Dr. Octo Rex Loop Player, der einen beim Slicen von Sample-Loops unterstützt und den man zum Old-School Sampling nutzen kann …

Die Effekte

Auch effekttechnisch ist Reason+ gut ausgestattet. Zunächst einmal gibt es die klassische MClass-Reihe, die einen Equalizer, Compressor und Stereo-Imager bietet. Dazu gesellen sich seit Jahren der RV-7 Reverb und das DDL-1 Delay. Allesamt einfache, aber durchaus gute Standardeffekte.

Die Klassiker…

Außerdem gibt es natürlich einen Flanger, Phaser, Filter, Limiter, Distortion etc… So etwas findet man in den meisten DAWs. Aber Reason hat natürlich auch ein paar spezielle Sachen dabei.

Da wären z.B. der GitarrenAmp-Modeller von Softube, der zwar Geschmackssache ist, aber nichtsdestotrotz ganz gute Resultate erzielt. Wer mich kennt, weiß dass ich hohe Ansprüche an einen Software-Amp stelle…

GitarrenAmp…

Analog dazu gibt es selbstverständlich auch den passenden BassAmp von Softube. Abgefahren ist aber das coole Zeugs, wie der recht neue Quartet Chorus, der verschiedenste Einstellmöglichkeiten bietet und viel mehr kann als ein einfacher Chorus-Effekt. Genauso wie der neue Sweeper Modulation Effect. Der Phaser, Flanger und Filter in einem ist und auch über interessante Regler und Knöpfe verfügt.

Das Alligator Filter Gate verwandelt jedes epische Pad in einen rhythmischen Part und der Pulveriser schmeißt jedem Instrument Dreck in die Augen. Dreck ist ein gutes Stichwort, den der Scream 4 Distortion und der Audiomatic Retro Transformer haben ähnliche Aufgaben.

Bevor ich hier weiter schwärme, Reason bietet wahnsinnig viel für’s Sound Design und alles klingt einfach gut. Noch nicht erwähnt habe ich den Convolution Reverb (RV7000), den Pitch Adjuster (Neptune), den Vocoder, das alte Tape Echo und die neuen Channel FX (Dynamics, EQ und Master Bus Compressor)…

Modulation

Es gibt auch spezielle Gerätschaften, die ausschließlich der Modulation von diversen Parametern dienen, wie z.B. der Synchronous Effect Modulator (der aber auch ein Multieffekt ist) oder der Pulsar Dual LFO.

Aber das Beste kommt, wenn man auf der Tastatur einfach mal die TAB-Taste drückt, dann sieht man die Rückseite der Devices und kann alles mit allem verkabeln, ähnlich wie bei Bitwig Studio, aber wortwörtlich. Mit der Maus schließe ich hier diverse CV-Ausgänge von einem Device mit einem virtuellen Patchkabel an CV-Eingänge eines anderen Devices und kann somit verschiedenste Parameter mit Modulatoren … ähh ja, modulieren.

Und genau DAS macht Reason so besonders! Reason ist ein riesiges modulares System.

Hilfsgeräte und Players

Neben den Instrumenten und Effekten gibt es in Reason noch allerlei Hilfsgeräte. Dazu gehören die eben schon erwähnten Modulatoren, sowie den Combinator, der quasi verschiedene Instrumente und Effekte zusammenfasst und zu einem Preset speichert – zumindest ganz einfach ausgedrückt.

Dann kann man noch extra Mixer einbauen, für verschiedene Kanäle und es gibt noch einen Pattern-Sequencer, einen Arpeggiator und Merger und Splitter. Ähnliches findet man auch in manchen anderen DAWs.

Die Players sind nichts anderes als MIDI-Effekte. Aber Reason hat hier ganz schön nützliche Helfer an Bord: einen ausgewachsenen Drum Sequencer, Dual Arpeggio, eine experimentelle Beat Map und andere Sequencer und Generatoren.

Alle Devices, Samples, Patches und Krams werden über den Browser verwaltet, den man sich ein- oder ausblenden kann. Man muss sich natürlich erstmal an den Browser gewöhnen und ein wenig rumsuchen und probieren, bis man hinter das System von Reason gestiegen ist.

Alle Dinge, über die ich bis hierhin gesprochen habe, finden man im Reason Rack. Genau dieses Rack kann man seit der Version 11 und natürlich bei Reason+ in anderen DAWs als VST3– oder AU-Plugin nutzen. Alle Instrumente, Effekte, Player und Hilfsmittel. Seit der Version 11.3 gibt es sogar Midi-Out.

Klar, man bekommt mit Reason+ oder Reason 11 eine ausgewachsene DAW, mit Sequencer und Mixer (dazu gleich mehr…), aber vielleicht will man sich nicht an einen neuen Sequencer gewöhnen und seine DAW behalten. Trotzdem könnte man all die Sound Design Möglichkeiten vom Reason Rack in der gewohnten Umgebung einsetzen.

Der Sequencer

Reason+ ist eine DAW und diese hat natürlich einen Sequencer.

Der Reason Sequencer funktioniert ähnlich wie der von anderen DAWs. Im Prinzip funktionieren alle Sequencer moderner Workstations ähnlich – mal abgesehen von Trackern. Aber ich muss gestehen, dass der Reason Sequencer nicht ganz so intuitiv ist, wie andere. Er hat mich ein wenig an den Editor von Tracktion Waveform erinnert. Er hat also hier und da ein paar Eigenheiten.

Ich will mich hier aber nicht hinreißen lassen und behaupten, dass man in anderen DAWs besser arbeiten kann. Denn dazu habe ich bisher viel zu wenig in Reason gearbeitet. Man muss sich an ihn gewöhnen, wenn man andere Sequencer gewohnt ist … mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ansonsten kann er natürlich alles, was man zum Schreiben von Musik benötigt.

Der Mixer

In Reason benötigt man keine Channel Strip Plugins! Diese sind standardmäßig dabei. Man bekommt einen ausgewachsenen Old-School Mixer.

Jeder Track, ob Audio-, Instrumenten- oder Mix-Track bzw. -Channel bekommt einen eigenen Channel Strip, mit EQ, Compressor, Insert– und Send-FX, Fader, Volume-Meter … alles, was eine Hardware-Konsole auch bietet. Ich mag das …

Eines sollte man wissen. Diesen Mixer und das Rack gibt es seit der Version 1.0 .. klar gab es hier und da einige kosmetische Updates, aber das Grundgerüst ist recht alt. Es ist nicht immer ganz einfach auf einen HiDPI Bildschirm die Übersicht über solch einen riesigen Mischer mit all seinen kleinen Drehreglern zu behalten.

Ich habe auch keine Möglichkeit gefunden, das GUI zu vergrößern oder so … vielleicht habe ich es bisher auch nur übersehen. So schön, wie das Rack und der Mixer auch ausschauen mögen, es ist nicht mehr ganz zeitgemäß.

Fazit

Reason ist toll. Ok, wer hier schon einige Sachen im Blog gelesen hat, der wird feststellen, dass ich schnell begeistert bin von DAWs, die ich teste. Das liegt einfach daran, dass heute alle DAWs toll sind 😀 … Aber das, was Reason einzigartig macht ist das Rack. Die Instrumente, die Effekte und die Möglichkeiten treffen genau meinen Geschmack. In Ableton fand ich die Instrumente gut, in Studio One die Effekte und in Bitwig die modularen Möglicheiten. In Reason kommt das alles zusammen!

Klar, wenn man zum ersten mal in der DAW rumwurschtelt ist das zunächst alles echt verwirrend. Das Rack ist nicht wirklich übersichtlich und man verliert schnell den Überblick. Aber die Sounds die man bekommt, machen das wieder wett. Irgendwie wirkt das ganz Umfeld auf mich sehr inspirierend und mir kommen ständig neue Ideen, wenn ich in Reason experimentiere.

Die DAW ist nicht billig und es ist auch nicht jedermanns Sache sich ein Subscription Modell ans Bein zu binden. Aber ich würde jedem empfehlen, Reason mal für einen Monat zu testen. Auch wenn man lieber bei seiner DAW bleiben will, macht der Einsatz des Reason Racks als Plugin durchaus Sinn und Spaß. Ich werde meine Testzeit mit dieser Workstation noch etwas genießen und wer weiß, ob ich dann noch darauf verzichten kann … 😉