Es mag vielleicht etwas seltsam anmuten, dass ein Blog, der relativ oft neue Tools aus dem Bereich der Musikproduktion vorstellt, etwas über Einschränkungen schreibt. Aber ich habe hier schon öfters erwähnt, dass es im Grunde besser ist, seine Werkzeugsammlung überschaubar zu halten und die vorhandenen Tools in- und auswendig zu kennen und diese dann kreativer einzusetzen.

4-Spur-Recorder ohne monatliche Updates…

Denn im Grunde geht es beim Musikmachen um Kreativität und es ist nunmal belegt, dass weniger Krams diese eher fördert als hindert. Forscher der University of Illinois haben 2015 mehrere Tests durchgeführt, die den Einfluß von verschiedenen Resourcen auf die Kreativität untersuchten. Eine „Eingeschränkte Denkweise„, so die Forscher, setzt ein, wenn ein Proband eine Aufgabe mit relativ wenig Mitteln umsetzen sollte. Je stärker diese Denkweise auftrat, desto kreativer wurden diese spärlichen Mittel genutzt.

Interessante Musik und innovative Ideen für’s Sound Design benötigen ein gewisses Maß an Kreativität und die Forscher haben herausgefunden, dass ein Mehr an Mitteln und Wegen der Kreativität eher im Weg steht. Wenn man weniger Möglichkeiten hat, dann werden diese nunmal kreativer eingesetzt.

Die Tools werden immer zahlreicher und umfangreicher

Anfang nächsten Jahres kommt Ableton Live 11 und bringt wieder eine Handvoll neuer Features und Tools. Bitwig Studio ist mittlerweile bei Version 3.3 und bei jedem Update gibt es neue Devices und Verbesserungen in der DAW. Steinberg Cubase hat auch vor kurzem die Version 11 erreicht und Apple hat jetzt gerade Version 10.6 von Logic Pro veröffentlicht.

Vital …

In wenigen Tagen gibt Matt Tytel seinen neuen virtuellen Synthesizer Vital zum Download frei. Dieses Instrument kann man sogar völlig kostenlos nutzen und läßt wenig Wünsche offen. Serum, Phase Plant, Massive X und Pigments gehören schon seit Längerem zum NonPlus-Ultra der Synth-Plugins und alle diese Instrumente haben dermaßen viele Modulatoren, NoteFX und Effekte mit an Bord, dass man gar nicht mehr weiß, was man wann benutzen soll…

Woche für Woche erscheinen neue, bessere Tools, die sich in ihren Fähigkeiten immer wieder überbieten. War man gestern noch von einem Effekt-Plugin begeistert und hat sich gerade mal so einen Überblick über all die Möglichkeiten damit verschafft, wird man schon wieder von einem YouTube Video angesprungen, dass das nächste Plugin in höchsten Tönen anpreist. Ein Großteil dieser Software ist zudem auch noch komplett umsonst.

Und natürlich ist das alles großartig. Es ist der Wahnsinn, was man heute mit einer kostenlosen Digitalen Audio Workstation und einigen kostenlosen Instrumenten und Effekten anstellen kann. Wenn man schon in den 80ern Musik gemacht hat, dann weiß man das auch zu schätzen. Die Frage ist nur, wie kreativ man wirklich werden kann mit solch einem Arsenal an Werkzeugen, wenn diese Tools es einem zudem auch noch recht leicht machen.

Phase Plant…

Wenn ich einen Furz sample, diesen in den Bitwig Sampler ziehe, ein wenig mit den Einstellungen spiele, ein paar Sachen moduliere und dahinter einen Reverb schalte, habe ich einen epischen Pad-Sound … in Sekunden. Das Komplizierteste an der Sache ist dann nur noch die Frage nach dem richtigen Reverb-Preset 😉

Ich will mich sicherlich nicht beschweren. Das wäre dumm. Ich habe nur gemerkt, dass meine eigenen musikalischen Ideen am besten sind, wenn ich mit einem Schlagzeuger im Proberaum sitze und wir nur die Gitarre und die Drums zur Verfügung haben. Da wird nicht mit irgendwelchen Einstellungen gespielt, da werden keine Presets durchgeklickt und da werden auch keine Plugins ausprobiert. Wir nehmen lediglich unsere beiden Instrumente auf. Das kann ich übrigens in jeder DAW machen.

Ich denke jeder, der mit Musiksoftware arbeitet, hat sich schon mal die Frage gestellt, ob er all die Plugins und Software benötigt, die er in den letzten Jahren so angesammelt hat.

Vielleicht ist es besser sich für eine DAW zu entscheiden? Eine DAW, die nicht allzu viele Features besitzt und die es einem leicht macht einfache Ideen festzuhalten? Vielleicht konzentriert man sich nur noch auf eine Handvoll essentielle Instrumente und Plugins und versucht sich auf das Wesentliche zu konzentrieren? Auch wenn Sound Design nicht vernachlässigt werden sollte und das Herumspielen mit Plugins jede Menge Spaß macht, ist das Wichtigste immer noch die Musik, die am Ende dabei herauskommt … egal womit sie produziert wurde.