Spitfire Audio gehören wohl zu den Top Ten der virtuellen Instrumentenbauer. Allerdings beschränken sie sich dabei meistens auf das Aufnehmen akustischer Instrumente und das Gestalten von grafischen Interfaces, damit Nutzer diese Instrumente dann im Computer „spielen“ können. Überwiegend gibt es diese Instrumente für den Kontakt Sampler von Native Instruments, aber Spitfire veröffentlicht auch eigene VST-Plugins.
Vor ungefähr zwei Jahren haben sie angefangen in regelmäßigen Abständen Instrumente umsonst wegzugeben. Sie haben LABS 2018 ins Leben gerufen und jeder kann diese Instrumente kostenlos herunterladen und benutzen. Man meldet sich auf den Webseiten von Spitfire Audio an und lädt einfach das erste Instrument herunter. Dann wird man aufgefordert die LABS Desktop App zu installieren. In dieser App erscheinen dann die einzelnen Instrumente, die man später dann im Plugin innerhalb der DAW nutzen kann. Der Download könnte etwas dauern, da die Libraries teilweise mehrere Gigabytes groß sind.
Es gibt mittlerweile 28 (!) Instrumente (zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels), darunter sind Pianos, Streicher, Drums, Electric Pianos, Chöre, Field Recordings, … also vorrangig aus dem akustischen Bereich – es sind aber auch Synths vorhanden. Die Bedienung ist kinderleicht. Es gibt pro Instrument verschiedene Presets und nur eine Handvoll Bedienelemente, mit denen man einige Parameter einstellen kann. Man kann sich also ganz auf seine Musik konzentrieren. Aber man muss nicht denken, dass die Instrumente nicht brauchbar wären, nur weil man dafür kein Geld bezahlen muss. Als ich die ersten Instrumente ausprobiert hatte, konnte ich gar nicht glauben, dass die Sachen völlig umsonst weggegeben werden.
Was man damit anstellen kann, will ich in den nächsten Wochen einfach mal testen. Ich bin zwar kein herausragender Songwriter, aber ich will mal schauen, zu welchen musikalischen Höhenflügen mich die einzelnen Instrumente und Sounds inspirieren können…
Das Plugin bietet für alle Instrumente oben eine Art Infoleiste, wo man sehen kann wieviel Speicher und CPU ein Instrument beansprucht. Außerdem kann man hier eines von 5 verschiedenen Reverb-Typen auswählen. Auch wenn ich in der DAW lieber mein eigenes Reverb-Plugin auf einem Send-Kanal nutze, klingen die eingebauten Reverbs teilweise echt interessant. Des Weiteren kann man in der Leiste ein Master-Volume, –Panning und –Tuning vornehmen.
Welche Instrumente gibt es alles?
Wie gesagt sind mittlerweile 28 Instrumente verfügbar… allerdings kommen immer mal wieder welche dazu. Darunter sind einige Standard-Instrumente aus dem akustischen Bereich, wie Pianos, Drums oder Streicher. Aber auch ein paar abgefahrenere Sachen, wie seltsam modulierte Trompeten, ein Piano, dass mit Effekten eines modularen Synthesizers bearbeitet wurde oder Klänge die im Stadtleben von London eingefangen wurden.
Jedes Instrument hat dieselbe Benutzeroberfläche. Links gibt es zwei Regler für Expression und Dynamics und rechts einen großen Regler, der meistens mit einem Reverb belegt ist, aber vielfach zusätzlich noch umschaltbar ist auf: Tightness, ADSR oder irgendwelche Modulationen. Die meisten Instrumente verfügen über nur eine Velocity Ebene, aber wenn man die Dynamics oder Expression moduliert kann man das gut ausgleichen.
Auch wenn es derzeit 28 Instrumente gibt, sind es im Grunde viel mehr … Denn fast jedes Instrument verfügt über mehrere Presets. London Atmos sind eigentlich 12 verschiedene Instrumente unter dem Sammelbegriff London Atmos abgelegt und Trumpet Fields verfügt über 14 Presets. Während die Drums oder das Soft Piano beispielsweise nur über ein Preset verfügen…
Ok, dieser Artikel könnte etwas länger werden, weil ich zunächst mal einige Instrumente kurz vorstellen will. Soviel Zeit muss sein … Spitfire Audio schenkt uns solch eine Vielfalt an Sounds, da sollte man sich ruhig mal etwas Zeit nehmen.
Soft Piano
Das Soft Piano ist ein akustisches Piano und verfügt über 3 Round Robin Samples pro Note, so klingen schnell aufeinander folgende Noten desselben Tons nicht so künstlich. Es klingt ein wenig wie ein wunderbares Upright Piano, dass durch einen LowPass Filter geleitet wurde. Expression und Dynamics lassen sich wunderbar mit der Anschlagstärke modulieren.
Laut der Info von Spitfire wurde der „softe“ Sound durch einen Streifen Filz auf den Hämmern erzielt…
Strings
Hier waren angeblich 14 der besten Streicher aus London im Studio. Ich höre auf jeden Fall Bässe, Cellos und Violinen. Dieses LABS Instrument klingt natürlich nicht so real wie die großen Streicher-Bibliotheken, aber man kann es im Mix gut einsetzen. Mein Soundbeispiel ist jetzt nicht so gut, weil ich einfach keine Streicher programmieren kann.
Die Strings verfügen über 3 Presets. Ensembe, Long und Short. Ich mag die Staccato Töne des Short Presets…
Trumpet Fields
Diese beiden Trompeter machen jedes statische Arrangement lebendig. Viel spielerisches Können wurde hier digital festgehalten.
Es gibt hier insgesamt 14(!) Presets, die alle eine andere Spielweise der Trompeter bieten. Während einige vielleicht so klingen, als hätten die Jungs beim Recording einen im Tee gehabt, können diese Klänge im Mix sehr viel Atmosphäre in ein Stück bringen… Der Variation Regler klingt so, als würde man sich etwas mehr von den Spielern entfernen, wenn man ihn hochdreht … der Raum wird quasi größer.
Electric Piano
Hier haben wir ein klassisches Fender Rhodes Piano mit zwei Presets: Einmal trocken (DI) und einmal mit dem typischen Electric Piano Chorus.
Einstellen kann man hier die allgemeine Lautstärke und die Anschlagstärke. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, Reverb, Tightness und Variation zu verändern.
Choir
Ein Männerchor, ziemlich simpel. Neben der Lautstärke und Anschlagstärke hat man einen Reverb und einen ADSR Envelope zum Einstellen. Wenn das Sustain hoch genug gewählt wird, dann wird aus dem klassischen „Mmmmhhh…“ später ein offenerer Ton, der schon fast wie ein Synthesizer klingt.
Modular Pianos
Hierzu gibt es 12 verschiedene Presets. Ein Piano, ein Wurlitzer und irgendwelche Pipes werden hier durch diverse modulare Synth-Effekte verfremdet und bieten somit allerlei Ambient Sounds.
Auch hier ist der Reverb Effekt wieder vorhanden und ein ADSR Envelope zum Einstellen der Klänge…
Hand Bells
Eines meiner Lieblingsinstrumente der Reihe. Die kleinen Glocken machen sich hervorragend zusammen mit einer akustischen Gitarre 🥰…
Insgesamt gibt es drei verschiedene Presets. Einmal die Ghost Hand Bells, die sehr spooky klingen, dann die normalen Glöckchen und ein Preset mit etwas Vibrato. Ansonsten hat man einen Reverb und Tightness-Regler. Attack und Release kann man auch noch einstellen.
Scary Strings
Sehr schöne Streichinstrumente, die tatsächlich so klingen, als würden die Spieler Angst haben und zittern. Diese können hervorragend im Hintergrund eingesetzt werden und bieten jede Menge Atmosphäre.
Das Cool Preset bieten ziemlich kühle Obertöne, während das Stretched Preset für echte Gänsehaut sorgt.
Moon Guitar
Die chinesische Moon Guitar hatte ich vorher noch nie gesehen. Den Klang kennt man, typisch chinesisch.
Schön sind auch die verschiedenen Velocity Ebenen. Die Mondgitarre klingt ganz anders, wenn man sie härter anschlägt.
Zum Einstellen gibt auch hier nur Lautstärke, Anschlagstärke, Reverb und Tightness.
Strings 2
Wieder Streicher, diesmal mit anderen Artikulationen: Swells, Pizzicato und Bartok Pizz…
Wurli
Ein klassisches Wurlitzer Electric Piano mit 4 Presets: Super Soft Chorus, Super Soft DI, Chorus und DI. Klassische Sounds ohne wenn und aber…
Einzustellen gibt es noch Reverb, Tightness und Variation.
London Atmos
Hierbei handelt es sich um ein ganz besonderes Instrument … besser gesagt um ganz besondere Field Recordings, die in interessante Instrumente verwandelt wurden. Spitfire Audio hat die Atmosphäre Londons eingefangen, auf den Spuren der Musique Concrete.
Es gibt insgesamt 12 Presets, die Noise, Atmos, Percussions und urbane Klänge bieten.
Amplified Cello Quartet
Das Quartet wurde mit Mikrofonen abgenommen und dann in einem anderen Raum durch verschiedene Verstärker gejagt, das verleiht dem ganzen einen schmutzigen, bösen Sound. Ich mag die Strings besonders gerne. Die Presets bieten Tremolos, Tension, Slide Up und Wobbly Zeugs.
Rare Groove Piano
Hierbei handelt es sich wohl um eine 60er Jahre Vox Orgel. Man hat die Auswahl zischen den Bass, Harp und Piano Presets … sowie Short und Sustain Sounds, Vibrato, Reverb, etc… Das soll wohl alles ganz funky klingen. Aber sorry, in meinen Ohren klingt das wie mein altes Casio Keyboard aus den 80ern … was ja nicht schlecht sein muss 😉
Charango
Das Charango ist ein Zupfinstrument aus Südamerika. Es klingt ähnlich wie die Moon Guitar. Das Instrument bietet in dieser digitalen Form 3 Round Robin Samples und einige Velocity Layers. Es kann außerdem einzeln gespielt werden, oder im Ensemble.
Opia
Hier gibt es wieder einen Haufen verschiedenster Instrumente, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen. Der Hintergrund ist das Opia Festival in London. Jeder der Künstler wurde gebeten Samples beizusteuern, die ihnen etwas bedeuteten. Somit gibt es hier eine Vielzahl von unterschiedlichen Sounds.
Synths, Pianos, Percussion, Bass … alles ist vertreten.
Sleigh Bells
Die dürfen natürlich nicht fehlen. Santa Claus und Brian Wilson lassen grüssen…
Tundra Atmos
Wieder Field Recordings, diesmal aber nicht aus der Hauptstadt Großbritaniens, sondern aus der Tundra Islands, Schottlands und Estlands. Alles Sounds wurden mit diversen Effekten bearbeitet.
Es gibt 11 verschiedene Presets mit diversen Effekten, die darauf warten entdeckt zu werden.
Drums
Akustische Drums kann man immer gebrauchen. Diese hier klingen nicht allzu übel. Es gibt leider nur 3 Velocity Ebenen, was bei einem echten Drumset etwas wenig ist. Allerdings kann man hiermit schon einiges anstellen
Peel Guitar
Im ersten Moment dachte ich, es handelt sich um eine akustische Gitarre. Es ist aber eine Fender Telecaster, die durch einen kleinen 15W Verstärker gespielt wurde. Das Instrument klingt wunderbar und passt in jedes Arrangement.
Snth Pads
Yepp, klassische Synth Pads … 10 an der Zahl!
Dulcimer
Eine Zither, die vermehrt in den Vereinigten Staaten gespielt wird. Verwandt ist sie mit dem hiesigen Hackbrett. Das Instrument bietet hier 5 Presets. Fingered klingt ähnlich einer akustischer Gitarre, Hammered so ähnlich wie ein Klavier … dann gibt es noch Mini, Glissando und Tremolo. Ebenfalls ein schönes Instrument.
Pedal Pads
Anders als die Synth Pads, handelt es sich hierbei um ein Wurlitzer, eine Gitarre und ein Piano, die alle durch verschiedene Effektpedale gejagt wurden, bis sie zu Padsounds wurden…
…
Fazit
Ok, ich denke es wird deutlich, mit welch einer Vielzahl von verschiedensten und interessanten Klängen man hier bombardiert wird. Wenn man alle Instrumente installiert, bekommt man eine Wahnsinnssammlung. Ich will hier gar keine Werbung für Spitfire Audio machen und es hat mich auch keiner darum gebeten, aber ich bin einfach begeistert. Klar, LABS ist nicht ganz neu und die meisten werden sicherlich auch schon davon gehört haben, aber es kommen in unregelmäßigen Abständen immer wieder neue Sachen hinzu. Die Sammlung ist mittlerweile mehrere Gigabytes groß.
Wie gesagt, will ich in den nächsten Wochen mal intensiver mit den Instrumenten herumexperimentieren und dann eventuell mal ein paar Ergebnisse hier posten. Und wer die LABS noch nicht installiert hat, der sollte das unbedingt nachholen. Was hat man zu verlieren, abgesehen von ein paar Stunden der Entdeckung?
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