Tracktion 6 und 7 habe ich hier und hier schon angetestet und für sehr gut befunden, da sie ja auch noch kostenlos sind. Für den Preis bekommt man keine bessere DAW. Seit der Version 8 hört die Tracktion DAW auf den Namen Waveform und hat gegenüber größeren Konkurrenzprodukten mächtig aufgeholt. Ich habe mir am Wochenende mal die aktuelle Version mit der Nummer 10 angesehen.
Tracktion bestach schon immer mit einem etwas eigenwilligen Weg die Dinge innerhalb ihrer DAW anzugehen und das hat mir immer schon gefallen. Aber um am Markt bestehen bzw. mithalten zu können, muß man auch auf seine Userwünsche eingehen und das hat das Entwicklerteam um Jules Storer seit der Version 8 kontinuierlich getan.
Waveform hat nun einen eigenen Mixer, einen Multisampler, eine Chord Spur und einen Groove Doctor. Alles Sache, die man in aktuellen DAWs anderer Hersteller schon gesehen hat. Trotzdem hat sich Waveform nicht allzu sehr verbogen und das das Layout ihrer DAW ist weiterhin charmant geblieben.
Man hat nun etwas mehr Freiheiten bei der Farbwahl (das medium Grau gefällt mir besonders gut – das Blau von T7 konnte ich schon nicht mehr sehen) und das Editieren der Clips geht nun etwas einfacher von der Hand, weil man diese nun auch in einem eigenem Fenster öffnen kann, wenn man denn will. Außerdem gibt es nun ein Actions-Fenster im Browser, dass ein wenig an den Inspector in Bitwig erinnert – aber auch nur ein bisschen. Aber von vorne…
Die DAW ganz allgemein…
Der Download der Workstation geht recht fix, da die Dateigröße mit 70MB noch immer relativ kompakt daher kommt. Seit der Version 7 bekommt man mittlerweile einige Instrumente mitgeliefert. Ich glaube in T7 hatte man lediglich den supersimplen Sampler dabei (der immer noch mitinstalliert wird).
In der Version 10 gibt es den Multisampler, den Collective Synth/Sampler mit großer Instrumentenbibliothek (eine Art abgespeckter Alchemy), einen einfachen FM Synth, einen Subtractive Synth und einen Synthesizer mit dem Namen 4OSC. Diese Instrumente sind in allen Versionen (von Basic bis Extreme) dabei. Zusätzlich gibt es noch Melodyne und ein abgespecktes AutoTune. Das ist schon ordentlich! Dafür kostet die Basic Version (119 Dollar) auch etwas mehr als die damaligen Grundversionen.
Falls man über keinerlei VST Effekt-Plugins verfügt und die Grundausstattung von Waveform einem nicht genügt – diese ist recht dürftig, dann könnte man zur Standard Version greifen und bekommt zusätzlich mit den DAW Essentials eine Effekt-Plugin Sammlung dazu, die alleine schon knapp 200 Dollar kosten würde. Das Bundle kostet dann allerdings schon heftige 260 Dollar und die Extreme Version mit zusätzlichen Krams schlägt dann schon mit 500 Dollar zu Buche. Willkommen im Club der Big Player.
Da ich kein Freund von fetten Synthesizern und riesigen Sample-, Loop- und Preset-Bibliotheken bin, würde ich mich mit der Basic-Version schon zufrieden geben. Auch im Freeware Bereich gibt es mittlerweile gute Effekt-Plugins.
Wenn man Waveform zum ersten mal öffnet, findet man sich zunächst in den Einstellungen wieder, die man schnell einmal durchklicken sollte um das Nötigste einzustellen (Audio Treiber, Midi Controller, Plugin-Ordner, etc…). Hier kann man auch ein Farbschema wählen und falls man über einen kleinen Laptop verfügt kann man das Display Scale auf 75% herunterschrauben. So macht das Musizieren auch mit 13″ Bildschirmen Spaß (die Schrift ist so gerade noch gut lesbar). Des Weiteren gibt es hier den Download für das Collective Instrument, Video Tutorials und eine Übersicht der Tastenkürzel.
Wie auch bei den älteren Versionen von Tracktion kann man oben bei den Tabs ein neues Projekt anlegen, dass dann in einem neuen Tab erscheint. Mit dem blauen Augen-Icon ganz rechts oben in der Ecke kann man nun die einzelnen Parts des User-Interfaces ein- bzw. ausblenden (Browser, Eingänge, Tempo-, Marker- und Chord-Track, Steuerelemente unten, Ausgänge). Sehr schön gelöst. Die Steuerelemente unten kann man wieder minimieren, damit man nur das Nötigste unten angezeigt bekommt. Alle diese Bereiche kann man natürlich auch mit Tastenkürzeln ein- bzw. ausblenden.
Das Navigieren im Arrangement ist meiner Meinung nach irgendwie flüssiger und einfacher geworden. Zoomen, Scrollen usw. geht mir mit dieser Version irgendwie leichter von der Hand als beispielsweise in T7. Vielleicht bilde ich mir das aber auch ein. Das Fenster unten mit allen möglichen Parametern zum ausgewählten Bereich (Track, Clip, Automation, Plugin,…) ist nach wie vor etwas gewöhnungsbedürftig. Man findet dort zwar alles irgendwie wieder, aber es ist ein wenig unübersichtlich angeordnet. Ich brauche zumindest immer wieder einige Zeit um mich zurechtzufinden … vielleicht bin das aber auch nur ich 😉
Auch der Midi-Editor stört mich immer etwas. In Programmen wie Ableton oder Bitwig lässt sich meiner Meinung nach etwas flüssiger arbeiten. Aber vielleicht ist das auch nur Gewohnheitssache. Ansonsten funktioniert alles wie es soll. Comping ist großartig (finde ich schon wichtig, weil ich des Öfteren man Vocal- oder Gitarrenparts aufnehmen muss), das Recorden von Automationen funktioniert ohne Probleme, die Warping Funktion in Audio-Clips musste ich zuerst etwas suchen, machte dann aber keine Probleme und die Modifier (LFO, Envelope-Follower, Step-Sequenzer,…) sind zwar nichts im Vergleich zu den Bitwig Modulatoren, aber trotzdem äußerst nützlich.
Die Instrumente
Der Multisampler ist mittlerweile ein erwachsener Sampler mit Auto-Slicing, LFOs, Envelopes, Filter, verschiedenen Zonen und Velocity Ebenen. Man kann mit ihm sogar Aufnehmen. Entweder Signale aus der DAW oder sogar System Audio, dafür muss man allerdings einen speziellen Tracktion Treiber installieren. Der Sampler ist nun nicht gerade herausragend, aber durchaus zu gebrauchen.
Der 4OSC ist ein relativ simpler Synthesizer mit vier Oszillatoren – daher der treffende Name – und grundlegenden Effekten, Filter mit ADSR und Amp ebenfalls mit ADSR. Die Oszillatoren können jeweils eine der bekannten Wellenformen aufweisen oder einfach nur Noise. Ziemlich straight-forward das Ganze, aber gerade mit einfachen Instrumenten kann man sowieso am kreativsten werden.
Der Subtractive ist da schon etwas aufwendiger. Großes überfülltes Interface mit zahlreichen, aber trotzdem standardmäßigen Synth-Spielereien. 4 Oszillatoren, LFOs, Envelopes, Filter, Effekte … das Übliche und dazu jede Menge Presets. Ein nettes Schmankerl für umsonst.
Dann wäre da noch der FMSynth. Ziemlich simpler Frequenz-Modulation-Synthesizer mit wenig Einstellmöglichkeiten und einigen Standardpresets für einen FM-Synth. Auch hier gilt: Weniger ist mehr und einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul…
Das letzte Instrument in Waveform ist der Collective. Diese Combo aus Synth und Sampler bietet so ziemlich alle Brot-und-Butter Sounds, die man heutzutage in einer DAW gerne dabei hätte. Mal eben schnell ein Piano oder Bass eingestellt oder ein paar Streicher, um den Song etwas süßer zu gestalten. Die Sounds können zwar nicht mit den üblichen Monster-Bibliotheken aus bspw. Kontakt mithalten, sind aber durchaus brauchbar. Der Content-Download schlägt mit gut 2 GByte zu Buche und das Instrument enthält über 600 Presets.
Wie auch in den vergangenen Versionen enthält Waveform 10 wieder das Plugin-Rack. Das ist irgendwie die Antwort auf die Racks in Ableton bzw. Bitwig, mit denen man Instrumente und Effekte miteinander verschachteln konnte, wie man lustig ist. Das kann man im Plugin Rack auch machen, aber hier sieht das Ganze noch etwas nerdiger aus, weil alle Plugins mit Kabeln verbunden werden, wie bei einem modularen Synthesizer.
Der Groove Doctor
Der Groove Doctor macht eigentlich hauptsächlich drei Dinge:
- Audio quantisieren und Grooves anwenden
- Grooves extrahieren und speichern
- Tempo analysieren und das DAW Tempo dementsprechend anpassen
Falls das alles so funktioniert wie beschrieben, dann wäre das schon ’ne relativ große Sache. Punkt 2 kenne ich aus Ableton und habe das schon immer in anderen DAWs vermisst und Punkt 3 habe ich in der letzten Version von Logic Pro kennengelernt und ausprobiert. Dort funktionierte es recht gut.
Ich würde eventuell gerne in einem anderen Beitrag näher auf den Groove Doctor eingehen, daher verlinke ich an dieser Stelle nur zwei offizielle Videos von Tracktion, die sich mit dem Feature beschäftigen.
Fazit
Ich bin jetzt noch nichtmal auf alle neuen und alten Features von Waveform 10 eingegangen. Wie bereits eingangs erwähnt, hat Tracktion einiges getan um im Bereich der digitalen Audio Workstations konkurrenzfähig zu bleiben. Preislich ist Waveform nun nicht mehr der günstige Underdog. Auch Tracktion fügt immer mehr Features und Content zu ihrer DAW hinzu. Ob das nun gut oder schlecht ist, mag ich an dieser Stelle gar nicht festlegen.
Ich persönlich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass ich lieber Software benutze, die dem User nicht ALLES abnimmt, die gewisse Grenzen setzt und Freiraum lässt für kreative Spielereien. Mal abgesehen von Ausnahmen, wie vielleicht Renoise sind mittlerweile alle gängigen DAWs eierlegende Wollmilchsäue geworden und immer mehr darauf ausgelegt, dem User so schnell wie möglich zu einem Ziel zu führen.
Ich mag Waveform, wie ich auch schon Tracktion mochte und ich will für die Zeit des 30-tägigen Demos noch ein wenig damit herumprobieren. Jedem, der recht frisch im Bereich Recording-Software unterwegs ist, kann ich diese DAW nur ans Herz legen. Gerade auch, weil sie für alle Plattformen zur Verfügung steht (Mac, Linux und Windows).
Gerade auf dem Mac ist es nicht einfach gegen Logic zu bestehen, besonders weil man dort für 230 Euro ein fast unschlagbares Paket bekommt. Diesen Umfang kann Waveform zwar nicht bieten, aber diese DAW ist charmant, läßt viel Freiraum für Kreativität und belastet auch ältere Rechner nicht allzu sehr (so schnell wie Tracktion / Waveform startet auf meinem Mac keine andere DAW).
Meiner Meinung nach sollte Tracktion nicht allzu sehr versuchen mit den Riesenpaketen seiner Konkurrenz mitzuhalten, sondern die Kleinigkeiten, die verbesserungswürdig sind ausbessern (Midi-Editing, ein übersichtlicher Inspector, …) und sich seinen Status als schnelle, kleine und kreative DAW versuchen zu erhalten.
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