„Ich habe jetzt total viele Audio Effekte in meiner DAW, brauche ich überhaupt noch extra Gitarren-Effektpedale?“ – diese Frage habe ich schon des öfteren gehört. Viele sind immer erstmal verunsichert, ob sich die nativen Effekte ihrer Recording-Software überhaupt für die Gitarre eignen. Da wird dann gegoogelt, bei YouTube rumgesucht und in diversen Foren nachgefragt. Die beste Antwort ist aber immer: Ausprobieren. Nicht jeder Overdrive Effekt ist gleich programmiert und nicht jeder Effekt passt zu jeder Gitarre oder zu jedem Amp.
Ich persönlich greife auch oft mal zu echten Bodentretern, oder zu den Effekten aus Amplitube. Wenn man sich die Audio Effekte in der DAW aber mal genauer anschaut, dann sind diese in vieler Hinsicht aber viel flexibler als ihre Pendants, die speziell für die Gitarre entworfen wurden. Ein Beispiel wäre der Wah-Effekt. Das Cry-Baby Pedal beispielsweise hat einen fest vorgegebenen Frequenzbereich, an dem ich ohne elektronische Komponenten auszutauschen, nichts verstellen kann. Ein Filter-Plugin einer DAW ist da doch gleich VIEL flexibler 😉
Aus diesem Grund möchte ich in diesem Beitrag einmal die Audio Effekte von Ableton Live 10 etwas genauer unter die Lupe nehmen und ihre Tauglichkeit als Gitarreneffekt antesten. Mittlerweile verfügt jede DAW über haufenweise eingebaute Effekte und aus diesem Grund beschränkt sich dieser Post nicht nur auf Benutzer von Ableton.
Mein Setup besteht aus einer Fender Jazzmaster Gitarre, dessen trockenes Signal direkt in ein Audio-Interface von Steinberg geht. Innerhalb von Ableton wird das Signal dann durch das Amplitube 4 Plugin geleitet und dort nur durch eine Emulation eines Orange Amps nebst Cabinet geführt. Keine weiteren Effekte (weder echte Bodentreter, noch virtuelle innerhalb von Amplitube) kommen zum Einsatz: (man möge die stümperhafte Performance entschuldigen 😀 )
Overdrive / Distortion / Fuzz
Ableton Live verfügt über mehrere Plugins, die dem Sound etwas Schmutz an den Karren werfen. Es gibt das Overdrive Plugin, einen Saturator, den Amp nebst Cabinet und seit der Version 10 gibt es das Pedal und dies ist tatsächlich einem Bodentreter für Gitarre nachempfunden. Während die erstgenannten Effekte durchaus dienlich sein können, um ein Gitarrensignal etwas noisiger zu machen, ist der Pedal Effekt wirklich richtig gut. Er verfügt über drei Einstellungen: Overdrive, Distortion und Fuzz.
Der Overdrive erinnert mich stark an den Boss Super Overdrive, das Distortion entspricht dem typischen Boss DS-1 und dank des 3 Band Equalizers kann man seinen Wunschsound gut einstellen. Die Fuzz Einstellung ist etwas krisselig, erinnert mich an das Big Muff … zumindest an die Version, die ich hier mal hatte. Alles in allem ein sehr flexibler Effekt. Wenn ich nur diesen Overdrive / Distortion Effekt zur Verfügung hätte, würde ich damit ohne Probleme auskommen. Ich habe dem kleinen Soundbeispiel links mal einen Overdrive Effekt und rechts ein Distortion hinzugefügt:
Wah Wah
Der Wah Effekt ist wohl einer der bekanntesten Gitarreneffekte. Erstmals Mitte der 60er Jahre auf eine Gitarre angewandt ist er aus der Palette der Bodentreter gar nicht mehr wegzudenken. Im Grunde handelt es sich hier lediglich um einen Bandpassfilter um 1kHz. Dieser wird mithilfe der Fußwippe hin und her bewegt. Man könnte dies mit einem Equalizer innerhalb der DAW realisieren. Allerdings eignet sich der Autofilter etwas besser, wenn der Frequenzbereich bewegt werden soll.
Dieser Filter schränkt den Nutzer nicht ein, einen festen Frequenzbereich zu nutzen. Hier kann die Frequenz komplett frei gewählt werden, was zu abgefahrenen Effekten führen kann. Ich finde der Autofilter ist das perfekte Wah-Pedal. Im folgenden Beispiel habe ich der rechten Distortion-Gitarre ein Wah hinzugefügt und am Ende ein wenig mit den Frequenzen übertrieben 😀
Bitcrusher
Den Bitcrusher würde ich eigentlich auch zu den Distortion Effekten zählen. Allerdings ist das ganze hier gewollt digital. Es geht nämlich darum die Bitrate herabzusetzen und dadurch einen Crusher-Effekt zu erzielen, z.B. diesen typischen 8Bit Sound. Das klingt nicht wirklich schön, kann aber manchmal ganz interessant sein. Außerdem verfügen die meisten Bitcrusher Effekte auch über die Möglichkeit die Samplerate herabzusetzen, was dem ganzen noch mehr lo-fi Charme verpasst. In Ableton heißt der Bitcrusher Effekt passenderweise Redux.
Ganz interessant klingt es manchmal, wenn man die Bitrate oder Samplerate während des Spielens verändert. Das habe ich hier im Mittelteil mal mit einer Automationskurve gemacht:
Naja, das ist wohl nicht das beste Beispiel für einen Bitcrusher Einsatz 😉
Chorus
Der Chorus soll einen Ton eigentlich verdoppeln. Wenn man allerdings eine Gitarrenspur aufnimmt, diese dupliziert und dazu abspielt, klingt das ganze nur etwas lauter. Um einen Chorus Effekt zu erzielen, muss die Abspielzeit der zweiten Spur von der ersten etwas abweichen, so dass man man meint, die zweite Spur schwebe um die erste Spur umzu. Wir sprechen hier von ein paar Millisekunden. Dieser Effekt ist sehr beliebt bei Gitarristen, besonders wenn die Gitarren unverzerrt gespielt werden.
Der Ableton Chorus bietet wieder diverse Einstellmöglichkeiten die etwas weiter reichen als die, die man von einem herkömmlichen Chorus-Pedal kennt. Im folgenden Beispiel habe ich auf beide Gitarren einen Chorus Effekt angewendet, allerdings nur im Mittelteil, wo viele offenen Seiten angeschlagen werden. Dort kommt er am besten zur Geltung.
Reverb
Der Halleffekt ist sicherlich auch jedem bekannt. Meistens ist er aber direkt im Verstärker verbaut. die wenigsten Gitarristen verwenden ihn als Bodentreter. Ein Reverb soll die Reflexionen der Schallwellen in verschiedenen Räumen simulieren. Da heutzutage die Gitarren entweder mit einem Mikrofon direkt vor’m Verstärker aufgenommen werden oder direkt in ein Audio-Interface gestöpselt werden, fehlt der Raumklang. Diesen Job übernimmt dann ein Reverb. Entweder werden Samples verschiedener Räume verwendet und innerhalb eines Reverb-Plugins eingesetzt (Convolution Reverb) oder der Hall wird mit schlauen Algorithmen berechnet. Ableton verfügt über beide Arten von Reverbs, wobei mir der erstere besser gefällt.
Der Convolution Reverb Pro von Ableton Live 10 kommt mit einem Haufen guter Impulse Responses. Für das folgende Beispiel habe ich den Hall einer Jazzhall ausgewählt und die Raumgröße auf 139% eingestellt. Ansonsten gibt es noch die Möglichkeit den Predelay einzustellen (also, wie verzögert der Hall einsetzt), die Position im Raum kann noch gewählt werden, die Länge der Hallfahne, oder die Dämpfung. Das Plugin bietet so einiges. Ich nutze es für alles was mit Hall zu tun hat. Vielen sind die nativen Reverbs vieler DAWs nicht gut genug und sie greifen zu externen VST-Plugins. Mir ist das Ableton Convolution Pro Reverb mehr als genug und auch sehr gut für Gitarren geeignet.
Delay
Ich persönlich bin ja kein großer Delay Fan, aber vielleicht ändert sich das ja nochmal. Ein Delay ist ähnlich wie ein Echo. Das eigentliche Signal wir in bestimmten Abständen wiederholt und je nach Einstellung des Feedbacks dann immer leiser. Ableton hat so einige Plugins, die verschiedene Delay-Effekte bieten. Filter Delay, Grain Delay, Ping Pong Delay und das seit Version 10 hinzugekommene Echo. Mein Soundbeispiel ist nicht besonders gut geeignet für ein Delay Effekt, daher gibt es an dieser Stelle keine Anwendung eines Delays.
Wie erwähnt habe ich bisher nicht allzu viel mit Delays herumprobiert. Das werde ich aber nachholen und zu gegebener Zeit mal einen Beitrag zum Echo Effekt nachreichen.
Phaser / Flanger
Wieder zwei typische Effekte für die Gitarre, die in keinem Bodentreter-Arsenal fehlen sollten. Klanglich etwas ähnlich aber doch unterschiedlich. Der Flanger Effekt fügt dem Originalsignal eine Kopie hinzu, die zeitlich etwas verschoben ist. Diese Verschiebung wird noch durch einen LFO ganz leicht variiert. Bei einem Phaser wird mithilfe eines Notch-Filters (umgekehrter Bandpass Filter, den wir beim Wah schon begegnet sind), der sich um einen kleinen Frequenzbereich bewegt, der typische Sound erzielt. Man könnte einen Phaser also eigentlich auch mit dem Autofilter nachbilden.
Ableton bietet für beide Effekte gleichnamige Plugins, die ihren Job beide sehr gut machen und ganz hervorragend für jeglichen Gitarrensound geeignet sind. Im folgenden Beispiel hören wir den Flanger Effekt auf beide Gitarren angewendet.
Die meisten erfahrenen Gitarristen werden schon ihre Lieblingseffekte auf dem Pedalboard verbaut haben und auf diese auch nicht verzichten wollen. Aber alle Neulinge, die ihre Gitarre in einer DAW aufnehmen wollen, sind nicht gezwungen massenhaft teure Bodentreter zu kaufen. Nahezu jede DAW verfügt über ausreichend gute Effekte, die man auch prima auf ein Gitarrensignal anwenden kann. Hinzu kommen noch viele Spielereien, die man mit den meisten Gitarrenpedalen gar nicht machen kann (beispielsweise extreme Frequenzen für ein Wah…).
Ich nutze ganz oft die nativen Effekte von Ableton Live, da diese zum einen den Prozessor des Rechners nicht so belasten wie die Effekte von externen Plugins wie z.B. Amplitube und auch gerade weil sie Einstellmöglichkeiten bieten, von denen andere Gitarristen nur träumen können. Außerdem hat man viele weitere Effekte, die eigentlich nicht für die Gitarre gedacht sind. Wer freut sich nicht über massenhaft Spielzeuge, mit denen man seinen Gitarrensound verwursteln kann 😉
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