Mitte Dezember letzten Jahres, ziemlich genau vor einem Monat wurde die Version 5 der italienischen Vorzeige-Amp-Simulation Amplitube veröffentlicht. Die Oberfläche wurde noch schicker gemacht und die Amps sollen nun noch realistischer klingen … aber versprechen das nicht alle Hersteller von Gitarren-Software?
In den letzten drei Jahren war Amplitube 4 meine Software, wenn es um virtuelle Gitarrenverstärker und -effekte ging. Seitdem habe ich keinen echten Amp mehr benutzt. Mein Fender Super Champ verstaubt hier in der Ecke. Ich übe mit der Software, arbeite an Ideen und recorde damit. Mein Lieblingsamp war immer der Orange AD30.
Seit einigen Tagen probiere ich nun die neue Version aus, spiele und höre mich durch die verschiedenen Verstärker, Boxen und Effektpedale. Ich kann jetzt schon sagen, dass mir das neue Layout der Software besser gefällt.
Der Aufbau
Beim ersten Start begrüßt Amplitube mich mit einem großen Marshall Topteil im oberen Bereich des Fensters, darunter sehe ich die Signalkette, inklusive Stimmgerät, DI-Box, Splitter, Amp, noch einem Splitter, Gitarrenbox und Mischer. Links daneben kann man zwischen 4 verschiedenen Arten von Ketten wählen: Eine einfache Verkettung, eine zweifach-Parallelschaltung, eine dreifach-Parallelschaltung und eine Parallelschaltung mit echtem Stereo-Eingang.
Am rechten Fensterrand sieht man nun die ganzen Komponenten. Es gibt Effektpedale, Verstärker, Boxen (nebst Mikrofone, Räume und Lautsprecher) und Rack-Effekte (wie man sie vielleicht von der MixBox Software kennt). Diese kann man sich nach Typ oder in Sammlungen anzeigen lassen. Außerdem gibt es eine Suchoption.
Ganz oben gibt es dann das Menü für die Presets und in der Standalone Version kann man noch zwischen Recording-Setup (das Standard-Fenster), Looper und Live-Setup hin- und herschalten.
Im Live-Setup kann man per Midi-Fußschalter zwischen diversen Signalketten hin- und herschalten. Das habe ich nicht getestet, weil ich solch einen Fußschalter nicht besitze.
Am unteren Rand des Fensters findet man in der Standalone-Version noch die Transport Bar für die kleine Recording-Umgebung. Man hat hier einen 8-Spur-Recorder, der wie eine kleine DAW aussieht. Für jeden Track gibt einen minimalen Channel Strip und ganz praktisch finde ich die Möglichkeit die Geschwindigkeit der Wiedergabe zu halbieren oder verdoppeln. Somit kann ich mir einen komplizierten Gitarrenpart in eine Spur ziehen, diesen loopen und langsam abspielen, um ihn zu üben.
Des Weiteren gib es die Möglichkeit die globale Tonhöhe einzustellen, ein Metronom einzuschalten, die Taktart und BPM zu ändern und die globale Lautstärke des Amplitube-Ausgangs zu regeln. Ganz links kann man natürlich auch die Empfindlichkeit des Eingangs einstellen. Damit wäre der Aufbau der Software erklärt.
Welche Komponenten gibt es alles?
Die Anzahl und Auswahl der verschiedenen Amps, Pedale und Boxen hängt natürlich von der Version der Software ab. Man kann sich zunächst die kostenlose Custom Shop Version installieren und eine kleine Auswahl (39 Komponenten) an Gear frei nutzen. Von hier aus könnte man sich verschiedene Teile dazukaufen, wenn man sie benötigt.
Außerdem gibt es noch zwei weitere Versionen, die beide etwas mehr Zeugs an Bord haben und einmal 99,- und einmal 149,- € kosten. Die MAX Version gibt es derzeit für 299,- € (350,- € inkl. Mwst!). Das klingt zunächst nach viel Geld, das ist es auch, aber es gibt hier alles! Den ganzen Stuff.
Die Verstärker und Boxen
Die Liste der Verstärker ist hier grob in 4 Kategorien unterteilt: Clean, Crunch, High Gain und Bass. Bei den cleanen Amps finden wir zunächst einmal eine ganze Stange Fender Amps.
Dazu gesellen sich diverse Leslie Verstärker, Roland Jazz Combos, Marshall Transistor Verstärker und ein paar andere Schätzchen. Wenn unten in der Signalkette der Amp ausgewählt ist, dann kann ich einfach durch einen Klick auf ein Icon eines anderen Amps in der rechten Liste, den Amp austauschen. Das Gute ist, dass gleichzeitig die passende Box mit ausgewählt wird.
Falls ich nicht möchte, dass die Box automatisch mit geändert wird, kann ich im Boxen-Fenster (Klick auf Box in der Signalkette) einfach das Verkettungsicon ausschalten. Schon kann ich Amps und Boxen nach Belieben mischen.
Die Liste der Boxen ist ebenfalls unterteilt, hier allerdings in Größen. Ganz oben haben wir zunächst eine Besonderheit: Die Custom IR Box. Hier habe ich die Möglichkeit eigene Impulse Responses zu importieren.
Ansonsten beginnt die Liste der Boxen bei 1×6“ und hierzu gehört beispielsweise die Box des Fender Champion.
Wir finden dann diverse 8„er, 10„er, 12 und 15„er Gitarrenboxen, natürlich eine Reihe 2×12„er und 4×12„er. Am Ende der Auflistung finden wir 8×10“ Ungetüme und diverse Leslie Boxen, sowie die Fender Vibratone Box.
Rechts unten am Boxen-Fenster finden wir noch ein Mixer-Icon. Dieser Mixer entspricht im Grunde dem Mixer, den wir am Ender Signalkette ebenfalls finden. Die GUI sieht hier aber anders aus. Das finde ich persönlich etwas verwirrend und es würde mehr Sinn ergeben, wenn genau derselbe Mischer angezeigt werden würde und man es in der Signalkette auch sehen könnte, dass eben dieser Mixer aufgerufen wurde.
Mikrofone und Räume
Neben dem Mixer-Symbol gibt es noch das Lautsprecher Symbol. Her hat man die Möglichkeit jeden einzelnen Lautsprecher der Box zu wechseln. Wenn ich mich nicht verzählt habe, dann gibt es 31 verschiedene Lautsprecher Modelle zur Auswahl. Zu jedem gibt es eine kleine Infobox, die etwas über den Einsatz des Lautsprechers verrät.
Natürlich kann ich auch die Abnahme Mikrofone bearbeiten. Ich habe eine Auswahl aus 18 verschiedenen Mikrofonen. diese sind in den Kategorien Dynamic, Condenser und Ribbon Mics unterteilt.
Es gibt immer zwei Mikrofone direkt vor dem Verstärker, die ich positionieren kann, wie es mir beliebt und außerdem gibt es zwei Raummikrofone, bei dem ich zumindest die Weite einstellen kann.
IK Multimedia treibt es in Amplitube 5 auf die Spitze und bringt eine neue Technik: VIR Tech (Volumetric Impulse Response technology), um sage und schreibe 600 Impulse Responses pro Lautsprecher(!) aufzuzeichnen. Mit dieser Technologie wir das Mikrofon exakt positioniert und gedreht um alle Bereiche abzudecken. Natürlich kann man in Amplitube selber Einstellungen in diesem Bereich vornehmen. Ich finde das – ehrlich gesagt – etwas übertrieben …
Was fehlt noch? Natürlich, der Raum! Im Untermenü „Room“ kann ich zwischen 4 Paaren Overhead Mikrofonen wählen und mir einen von 8 verschiedenen Räumen auswählen. Darunter sind auch so Exoten wie Subway oder Bathroom zu finden.
Im Mixer kann ich dann den Anteil dieses Raums einstellen. Das mochte ich schon immer an Amplitube. Gerade wenn man vor einem echten Amp sitzt und spielt, dann ist der Raum ein wesentlicher Faktor des Sounds. Amplitube hat das erkannt und man hat immer die Möglichkeit den Raum mit einzubeziehen.
Die Bodentreter
Neben dem Verstärker gehören die Stompboxes wohl zum wichtigsten Equipment eines Gitarristen. Amplitube 5 hat haufenweise Tretminen dabei. Da sollte kein Wunsch offen bleiben.
Die Liste der Effektpedale ist unterteilt in Delay, Distortion, Dynamics, EQ, Filter, Fuzz, Modulation, Pitch und Other. Viele klassische Effekte sind vertreten, die teilweise aber nicht den Original-Namen tragen. Das GUI der Treter ist eine Augenweide. Es macht einfach Spaß sich seine Effekte anzuordnen und mit ihnen herumzuspielen.
Man kann sich fast überall in der Signalkette eine Effektkette einbauen. Entweder vor dem Splitter, der das Signal auf einen, zwei oder drei Amps verteilt, oder direkt vor einen Amp. Man kann sich eine Effektkette hinter den Amp (bzw. in eine FX Loop im Amp) bauen – diese werden dann in Rack-Effekte umgewandelt – oder hinter eine Box – auch hier werden die Effekte in Racks umgewandelt. Denn das Beste ist: Wenn man Rack-Effekte (dazu gleich mehr) als Bodentreter nutzen möchte: kein Problem. Und wenn man Fußpedale als Rack-Effekte einsetzen will: Auch kein Problem.
Es ist ein Einfaches jeden einzelnen Regler oder Schalter eines Effekts – oder auch eines Amps – mit einem Rechtsklick entweder einem Regler auf einem Midi-Controller zuzuweisen oder einem Parameter, den ich in der DAW dann automatisieren könnte.
Rack Effekte
IK Multimedia hat mit T-RackS eine erstklassige Mastering/Mixing-Suite im Angebot und die Effekte sind mittlerweile sehr beliebt. Deshalb tauchen diese auch vielfach in SampleTank oder MixBox auf. Jetzt gibt es auch in der neuen Version von Amplitube solche Rack-Effekte.
Wie bereits erwähnt, tauchen diese immer hinter dem Amp auf. Entweder in der FX Loop des Verstärkers, nach der Box, oder im Mastering-Bereich nach dem Mixer.
Den Mixer habe ich eben schon kurz erwähnt. Den gab es so auch noch nicht in der Version 4. Hier kann ich schön übersichtlich die beiden Mikrofone der Box mischen, dann die Raummikrofone, den Bus (der Bereich direkt vor dem Mixer, wo ich auch noch maximal zwei Rack-Effekte einfügen könnte), dann die DI-Box – ich glaube das gab es in Amplitube 4 auch nicht. Hier kann ich das direkte, trockene Signal der Gitarre (oder eines anderen Instruments, dass ich mit Amplitube nutze) dazu mischen. Auch hier könnte ich nochmal maximal zwei Rack-Effekte einfügen. Zu guter Letzt kommt der Master-Regler. Hier habe ich die Möglichkeit nochmal maximal sechs Rack-Effekte zu nutzen.
Wie klingt das Ganze denn nun?
Die wichtigste Frage bei einer Software, die einen Verstärker nebst Box und Effekte emuliert, ist ja sicherlich der Sound. Ich mochte Amplitube 4 schon echt gerne und das ist bei Amplitube 5 nicht anders. Ich werde hier jetzt keine Soundbeispiele posten, weil das keinen Sinn ergeben würde. Immer wenn ich mir Sounds auf YouTube zu irgendwelcher Gitarrensoftware anhöre, klingt das immer wahnsinnig perfekt und poliert und komplett anders als hier bei mir.
Es gibt einfach zu viele Faktoren, die da mitspielen: Die Gitarre, das Audio-Interface, das Gitarrenspiel an sich … etc. Man muss die Software einfach mit seinem eigenen Equipment ausprobieren! Ich habe Amplitube 5 nun ein paar Tage getestet und finde tatsächlich, das einige der Marshall Modelle besser klingen als in der Vorgängerversion, aber im Großen und Ganzen hat sich soundtechnisch meiner Meinung nach nicht so großartig viel verändert.
Allein die Tatsache, dass der Raum hier berücksichtigt wird, macht Amplitube besser als viele seiner Konkurrenten. Dadurch wird der Sound – gerade über Kopfhörer – viel lebendiger. Aber das konnte man in Version 4 auch schon.
Trotzdem finde ich die neue Version sehr gelungen. Das GUI ist viel übersichtlicher. Es ist super, dass die Komponenten nun rechts in einer Liste mit kleinen Vorschaubildern zu sehen sind. Die Signalkette unten ist eine große Hilfe. Der Mixer ist fantastisch und die Effekte klingen hervorragend. Außerdem hat man nun die Möglichkeit eigene IRs als Boxen zu importieren.
Ansonsten kann ich Amplitube 5 empfehlen. Wer die Version 4 bereits besitzt, sollte selber abwägen, ob ein Update Sinn macht. Wer noch eine gute Ampsimulation sucht, ist hier gut bedient. Es bleibt vielleicht noch zu erwähnen, das Amplitube schon etwas hardwarehungrig ist. Es dauert einen Moment, bis das Plugin geladen ist und die Software nimmt auch etwas mehr Rechenpower in Anspruch, als einige der Kollegen. Das liegt sicherlich auch an die detaillierte grafische Oberfläche.
Nichtsdestotrotz: Weiter so IK Multimedia!
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