Steven Atkinson ist für viele ein Held. Er hat den Neural Amp Modeler (NAM) entwickelt. Eine Software für Mac und Win, die es einem ermöglicht seinen Gitarrensound in einer Computerdatei festzuhalten und mithilfe seines NAM-Plugins auf jedem halbwegs leistungsfähigen Computer zu spielen. Das ist nichts Neues, aber die Tools von Steven kann jeder kostenlos benutzen.

Steven hat beruflich mit Programmierung und Machine Leaning zu tun und hat sich überlegt, welches Spaßprojekt er mit seinem Wissen anfangen könnte. Da er schon lange Gitarre spielt, wollte er etwas in dieser Richtung machen. So ist dann der NAM als Hobbyprojekt entstanden. Für ihn war von Anfang an klar, dass die Software Open Source sein wird.

Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten einen Amp oder ein Effektpedal digital zu reproduzieren. Zum einen gibt es das Modeling, bei dem mathematische Algorithmen verwendet werden, um die elektronische Schaltung eines Effekts oder Verstärkers im Rechner nachzubilden. Meistens wird hier die Programmiersprache C++ genutzt. Die andere Möglichkeit ist das Black Box Modeling. Hier wird ein neuronales Netzwerk benutzt, das einem die schwere Arbeit abnimmt … zumindest teilweise.

Black Box Modeling

Beim Black Box Modeling muss man nicht wirklich wissen, wie eine Komponente im Inneren funktioniert, hier kommt es auf gute Parameter an, um das neuronale Netzwerk zu „trainieren“. Will heißen, ich benötige ein gutes Eingangssignal und ein gutes Ausgangssignal von meinem echten Effekt. Das Netzwerk findet dann heraus, was passieren muss, um das Eingangssignal zu dem Ausgangssignal zu machen.

Steven ist natürlich nicht der Erste, der Machine Learning für die digitale Nachbildung von Gitarrenkrams nutzt. Es gibt noch GuitarML, IK Multimedia’s Tonex, Neural DSP, und das vor Kurzem getestete Genome Plugin kann sogar NAM Profile benutzen, …). Aber es wird gesagt, dass das Neural Amp Modeler Plugin seine Sache sehr gut macht und richtig „authentisch“ klingen soll.

Dazu kann ich nichts sagen, denn ich habe nicht alle diese verschiedenen Lösungen ausprobiert. Es gibt allerdings zwei Dinge, die fast wichtiger sind, als das neuronale Netzwerk:

  1. Das Audiosignal des Eingangs und des Ausgangs eines Gadgets. Wenn das Audiosignal schon übel klingt, dann kann das Resultat nicht gut klingen. D.h. derjenige, der diese Signal aufzeichnet sollte auch ein wenig Ahnung vom Recorden von Gitarrensignalen haben.
  2. Die Gitarrenbox, durch die das Signal später zu hören ist. Damit meine ich nicht die Boxen des Nutzers vom NAM-Plugin, sondern die digitale Gitarrenbox – das Impulse Response Signal – der in Wirklichkeit verwendeten Box. Denn auch den Sound von Lautsprechern kann man digital festhalten, ähnlich wie bei einem Convolution Reverb. Dies wird in einer WAV Datei gespeichert und kann dann mithilfe eines IR Loaders im Computer genutzt werden. NAM beinhaltet solch einen IR Loader bereits.

Der Nachteil des Black Box Modelings

Wenn ich die Signale (Eingang und Ausgang) eines Gitarrenverstärkers oder Effektpedals aufnehme und für ein digitales Modell verwende, dann habe ich immer nur einen Schnappschuss von genau dieser einen Verstärkereinstellung aufgezeichnet. D.h. wenn die Software, wie z.B. Tonex einen Gain Regler hat, dann bewirkt dieser nicht dasselbe wie der eigentliche Gain Regler des aufgezeichneten Amps. Ist das verständlich?

D.h. ich müsste für jede Einstellung des Gain Reglers einen neuen Schnappschuss anfertigen und immer wenn ich eine dieser Einstellungen in meiner Software nutzen will, muss ich die entsprechende Datei laden. Aus diesem Grund haben viele Hersteller von Captures immer haufenweise Dateien in ihren Ordnern für einen bestimmten Amp. Das ist derzeit noch etwas kompliziert, aber ich denke da wird es in nächster Zeit einfachere Lösungen geben.

Das Neural Amp Modeler Plugin

Aber genug Theorie. Wie funktioniert nun der NAM, wo bekomme ich Amp Captures her und woher bekomme ich IRs von Gitarrenboxen? Zunächst einmal benötigen wir das NAM Plugin. Das kann man entweder von der offiziellen Website herunterladen (Snapshot Plugin), oder von der GitHub Seite.

Das Interface ist denkbar einfach. Zunächst stellt man den Input Gain ein und eventuell ein Gate. Danach folgt ein simpler EQ und ganz rechts stellt man noch die Ausgangslautstärke ein. Hilfreich ist die visuelle Darstellung des Ein- und Ausgangssignals.

Unten findet man nun einmal die Möglichkeit zum Laden eines Captures und zum Laden einer Impulse Response einer Gitarrenbox. Nun ist es wichtig zu wissen, welche Komponenten in dem Capture vorhanden sind. Viele User capturen ihr komplettes Rig. D.h. Effektpedale, Amp UND Gitarrenbox. Für solche Captures benötigt man natürlich keine zusätzliche Impulse Response einer Box.

Kostenlose Captures und IRs herunteladen

Es gibt etliche Quellen im Netz um NAM Captures und vor allen Dingen um IRs (kostenlos und kostenpflichtig) herunterzuladen. Der Einfachhalt halber beschränke ich mich auf die Website ToneHunt.org. Diese Seite wurde von mehreren Enthusiasten erstellt, um eben die Suche nach NAM Captures zu erleichtern. Hier findet man alles auf einer sehr schönen und übersichtlichen Website.

wie man sehen kann, gibt es dort derzeit über 8.200 Captures von Amps, über 2.700 Bodentreter und über 2.300 IRs von Gitarrenboxen. Das muss man erstmal sacken lassen. Logischerweise sind nicht alle Captures richtig gut. Und sich da durchzuarbeiten kann verdammt lange dauern. Eine gute Strategie ist das Herunterladen von Captures, die gut bewertet und schon relativ oft heruntergeladen wurden.

Man kann die Anzeige der Suchergebnisse filtern, nach Amps, IRs und auch komplette Rigs. Wenn man ein komplettes Rig verwendet, dann benötigt man keine IR … wie bereits erwähnt. Man muss da einfach mal die Beschreibung des Captures lesen.

NAM hat nun nicht viele Möglichkeiten den Sound zu verbiegen. Ich nutze daher immer die Plugin-Version in meiner DAW und schalte ein paar Effekte danach (EQ, Kompressor, Delay und Reverb) und versuche immer ein paar Effekte davor (Chorus, Flanger, etc…). Wenn man über Kopfhörer spielt, ist ein dezenter Raum-Reverb in meinen Augen richtig wichtig, weil der Raumklang sonst fehlt und der Ampsound direkt und harsch klingen kann.

Mehr bleibt mir nicht zu sagen … viel Spaß beim Herumprobieren und Finden des Lieblingsamps.