Gitarren-Amp Plugins gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Und alle werden immer besser. Ich habe sicherlich nicht alle getestet, aber schon verdammt viele ausprobiert. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit, klangen fast alle Software Modeler irgendwie digital. Man konnte sofort hören, dass es sich um einen Software Effekt handelt. Das hat sich geändert…
Letztes Jahr habe ich die neuen Versionen von Guitar Rig und Amplitube getestet und war schwer begeistert. Bis dato gehört Amplitube 5 zu meinen absoluten Favoriten. Letzten Sommer habe ich mir das Tonex Pedal gekauft und auch wenn das Teil hier verstaubt, nutze ich die Software recht oft. Dabei handelt es sich um keinen Amp-Modeler, sondern um einen Profiler, ähnlich wie der Kemper Amp. Seit der Version 5 von Amplitube kann man Tonex dort integrieren. Die Optionen sind unglaublich… Aber ich werde an anderer Stelle mal etwas zum Amplitube schreiben.
Vor ein paar Tagen habe ich das neue Plugin Genome von Two Notes entdeckt. Genome ist eine komplette Gitarren-Software für den Desktop oder Laptop. Ähnlich wie bei Amplitube bekommt man Amp-Models, virtuelle Cabinets, Effekte, Amp-Profiler und natürlich eine IR-Loader. D.h. auch hier bleiben kaum Wünsche offen. Der Vorteil: Die Software ist wesentlich übersichtlicher als viele ihrer Kolleginnen und man wird nicht erschlagen mit unendlich vielen Optionen. Aber von vorne…
Two Notes haben sich bereits einen Namen mit diversen Amp-Model Produkten gemacht. Gegründet wurde die kleine französische Firma von Dr. Guillaume Pille. 2005 hatte er sein Studium im Fach Audio Engineering abgeschlossen. Schon als Student war er leidenschaftlicher Musiker und Recording Engineer. Ihn frustrierte, dass ein gewöhnlicher Röhren-Amp zwar unglaublich gut klang, aber nicht wirklich flexibel war, wenn es darum ging, ihn zu modifizieren oder zum Recorden einzusetzen. Also beschäftigte er sich mit der Entwicklung digitaler Tools…
Zunächst entwickelte er Hardware-Lösungen, wie Loadboxen mit diversen Cab-IRs, später komplette Amp-Simulationen in Pedal-Form und natürlich gab es auch Software. Bereits 2011 veröffentlichte die Firma ein Plugin mit IR-Loader. Im letzten Jahr kam das recht erfolgreiche Opus-Pedal auf den Markt, welches eine komplette virtuelle Amp-Lösung inkl Cab Simulation war. Etwas später kam dann Genome – das Software Pendant für den Home-Recorder.
Das GUI
Ganz oben finden wir zunächst das Hamburger-Icon für das Hauptmenü, in dem man sich aber nur in seinen Account einloggen kann (man authentifiziert sich online, aber es gibt auch eine offline Möglichkeit … glaube ich) und ein paar Einstellungen vornehmen kann, nichts Wichtiges. Gleich daneben stellt man den Input Gain ein und es gibt die Möglichkeit einen herrlich großen Tuner aufzurufen.
Es gibt natürlich ein Gate, dass man aktivieren kann und auf der rechten Seite ist dann der Regler und die Anzeige für das Output Gain, die Einstellung für das Oversampling und wenn man die Demoversion nutzt, gibt einen Button zum Kaufen der Vollversion. Die Demo kann man übrigens für 14 Tage ohne Einschränkungen nutzen und die Vollversion kostet derzeit 79,-€.
Eine Reihe tiefer ist das Menü für die globalen Presets, die Automation (man hat 10 Slots für Parameter, die man automatisieren kann) und die Taktgeschwindigkeit, die man natürlich auch mit der DAW synchronisieren kann. Apropos: Es gibt keine Standalone Version des Programms, lediglich ein VST3-, AAX– bzw. AU-Plugin (Win & Mac) … somit wäre das auch geklärt.
Man muss schon erwähnen, dass sich das GUI an Amplitube orientiert, die Farben, der Aufbau … Allerdings ist hier alles weniger umfangreich und für meinen Geschmack viel übersichtlicher. Im Hauptteil des Interfaces finden wir die Effektkette mit 10 Slots (maximal 20, wenn man das Rig gleich am Anfang splittet). In jedes dieser Slots kann man einen Effekt packen. Entweder einen Bodentreter, einen Amp, eine Cabinet Simulation oder einen Studio-Effekt. Das war’s – mehr geht nicht, mehr braucht man aber auch nicht! Man kann das Signal splitten, aber nur einmal und dann an beliebiger Stelle wieder zusammenführen.
D.h., wenn ich nun einen Slot mit einem Amp belege und einen weiteren Slot mit einem Cabinet, habe ich 8 serielle Slots für Effekte. Meiner Meinung nach ausreichend. Aber man kann Genome natürlich auch einfach nur als Effektboard benutzen … logisch, kann man mit anderen Produkten dieses Genres auch.
Jede Komponente – egal ob Effekt, Amp oder Cabinet verfügt wiederum über eigene Presets, die am unteren Rand des Interfaces angezeigt werden, wenn man eine Komponente anwählt. Außerdem kann man ganz rechts unten die Lautstärke jeder Komponente einstellen (FX Out). Das wäre das Wichtigste zu dem User Interface. Aber was bekommt man für sein Geld?
Die Amps
Insgesamt gibt es 12 Amps, die alle mit der Two Notes – eigenen TSM Engine (Tube Stage Modeling) entwickelt wurden und den Sound und die Dynamik eines Röhren-Verstärkers simulieren sollen. Das versprechen alle Hersteller. Sie verwenden nur einen anderen Namen für ihre „bahnbrechende“ Technologie. 😉 Die 12 Amps orientieren sich natürlich an bekannte Verstärker namhafter Hersteller. Allerdings ist das immer so eine Sachen mit den Lizenzen und daher haben die Amps in Genome abgewandelte Namen. Aber sie sind alle dabei: Fender, Marshall, Orange, Peavey, Mesa Boogie, …
Jeder dieser Amps verfügt über Einstellungen für den PreAmp: Gain und EQ (Bass, Mid und Treble), sowie Einstellungen für den PowerAmp: Depth (Bass), Contour (Anheben von Bass und Höhen) und Volume. Des weiteren gibt es für den PowerAmp noch die Möglichkeit die virtuellen Röhren zu ändern.
Codex
Genome verfügt natürlich auch über einen Profile Loader. Ich kannte das immer nur vom Kemper Amp, aber in den letzten Monaten sind immer neue Produkte auf den Markt gekommen, die es einem erlauben Snapshots seines Amps oder Pedals digital in einer Software zu nutzen. Das Tonex Pedal und die gleichnamige Software von IK Multimedia ist da ein gutes Beispiel.
Codex heißt die Komponente in Genome und man kann Two Notes – eigene Captures benutzen (Genome kommt mit 20 Profiles). Man kann auch Profiles von anderen Herstellern laden (GuitarML, Neural Amp Modeler und Aida-X). Ich habe mich noch nicht näher mit dieser Möglichkeit befasst. Eventuell schreibe da nochmal etwas zu…
Die Bodentreter
Auch hier gibt es genau 12 Effekte, die ebenfalls namhaften Effektpedalen nachempfunden sind. Ich will auch nicht alle aufzählen, aber man bekommt einen Delay, mehrere Overdrive- bzw. Distortion-Effekte, zwei EQs und einen Phaser. Aber das ist nicht alles. Es gibt auch einige Studio-Effekte, die man ebenso vor seinen Amp schalten kann.
Die Studio Effekte
Richtig gut finde ich den EQ und den Kompressor, die beide etwas an die bekannten Plugins von Fabfilter angelehnt sind und über ein richtig gutes und informatives Interface verfügen.
Insgesamt gibt es 14 Studio Effekte. Darunter befindet sich neben dem Kompressor und dem EQ ein richtig gutes Reverb, ein Delay, mehrere Modulationseffekte, ein Power Amp, ein Twin Tracker (ähnlich dem Beatles ADT), ein Enhancer und ein Exciter und die Post FX Sektion des Wall Of Sound Plugins. Man ist also richtig gut ausgerüstet.
Die Cabinets
Natürlich benötigt man noch virtuelle Lautsprecher! Genome hat hier zwei verschiedene Komponenten parat. Zum einen bekommt man die DynIR CAB Komponente, wo man 4 verschiedene Gitarren Cabs oder 1 Bass Cab auswählen kann und jeweils zwei Mikrofone (zur Auswahl sind 8 verschiedene Mics) beliebig platzieren kann. Natürlich kann man die Mikrofone mischen und im Stereobild platzieren.
Außerdem gibt es einen IR Loader. Man kann also seine eigenen Impulse Responses von verschiedenen Lautsprechern laden.
Fazit
Wie eingangs erwähnt gibt es mittlerweile so viele verschiedene Amp-Sim und Profiler Produkte, dass einem fast schwindelig wird. Man weiß ja gar nicht wofür man sich entscheiden soll. Die letzten drei Produkte, die ich getestet habe, haben mich alle irgendwie überzeugt. Was ist nun mit Genome?
Ein großer Vorteil ist für mich das hervorragende User Interface. Die Software ist k0mplett selbsterklärend und übersichtlich designed. Man wird nicht erschlagen mit Optionen, obwohl man natürlich die Effekte und Amps erweitern kann. Two Notes hat da verschiedene Addons auf der Website. Außerdem kann man natürlich in den Kaninchenbau hinabsteigen und sich mit Profiles und IRs von Drittanbietern befassen … viel Glück!
Soundtechnisch sind mittlerweile alle Plugins echt gut. Allerdings habe ich bei Genome sofort einen guten Sound gefunden. Die Presets klangen auf anhieb recht brauchbar und die Amps klangen wirklich dynamisch und haben sich einfach gut angefühlt. Ich werde von Two Notes nicht bezahlt und ich habe das Plugin nicht kostenlos bekommen. Ich habe hier seit ein paar Tagen die Demo installiert und werde sie noch weiter testen und die Software danach wahrscheinlich kaufen. 79,-€ ist nicht allzu teuer und man bekommt dafür wirklich ein gutes Produkt. Guitar Rig 7 Pro kostet derzeit wieder 199,-€ und Amplitube 5 MAX sogar 299,-€
Logischerweise kommt es auch immer auf den eigenen Geschmack an und auch auf die verwendete Gitarre. Ich besitze hier zuhause zwei Gitarren: eine selbstgebaute Fender Jazzmaster mit recht guten Fender Pickups und eine Gretsch Streamliner mit recht billigen Pickups. Gerade die Gretsch klingt sehr boxy und tut sich manchmal schwer mit digitalen Amps. Aber mit Genome kam sie gut klar … zumindest für meinen Geschmack. 😉
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