Nachdem ich hier den neuen Phaser und hier den neuen Chorus von Arturia angetestet habe, will ich mir an dieser Stelle den dritten im Bunde – den Flanger BL-20 – anschauen. Das Effekt-Plugin hat den BF-20 Stereo-Flanger der Firma B.E.L Electronics zum Vorbild.

Arturia’s Flanger BL-20 …

Der Original-Flanger im Rackformat wurde vom Gründer von B.E.L – kein Geringerer als Genesis Gitarrist Mick Barnard – in den späten 70ern entworfen. Für viele große Künstler wurde dieser zum Lieblingsflanger (Phil Collins, Rolling Stones oder auch Yes). Dieser Effekt ist mittlerweile natürlich auch recht schwer zu kriegen. Aber wenn man Glück hat, muss man nicht allzu horrende Summen dafür hinblättern.

B.E.L Electronics BF-20 Flanger (Quelle: effectsdatabase.com)

Aber das sollte uns nicht wirklich interessieren, denn Arturia hat das Ding in Software gemeißelt und kurzerhand Flanger BL-20 getauft. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass sie ohne mit der Wimper zu zucken die Funktionalität etwas aufgebohrt haben und somit ein interessantes zeitgemäßes Effekt-Plugin anbieten.

Preislich liegt die Software, wie auch schon die anderen beiden Kollegen, bei bei 99.- Euro. Im Moment bekommt man sogar alle drei Effekte für 149,- Euro und die komplette Sammlung für nur 299,- (insgesamt 18 Plugins!).

Ein Flanger funktioniert ähnlich wie ein Phaser. Das Eingangssignal wird kopiert und die Kopie ständig zeitlich versetzt (Delay). Wenn man sich die Ursprünge dieses Effekts ansieht, dann versteht man die Funktionsweise etwas besser: Leo Fender hat den Effekt schon in den 50ern erfunden, bzw. entdeckt. Er ließ zwei Tonbandmaschinen mit der exakt gleichen Gitarrenspur laufen und hat dann spaßeshalber mit dem Finger das eine Gerät immer mal wieder abgebremst. Der Mix der beiden Tonbänder ergab dann den typisch spacigen Flanger-Effekt.

Das folgende Video zeigt nochmal sehr anschaulich den Unterschied zum Phaser:

Aufbau

Der Flanger BL-20 mag simpler aussehen, als er tatsächlich ist. Es gibt insgesamt 3 Modulationsquellen (manuell/Funktionsgenerator, LFO, Envelope Follower). Es sind 2 Delay Schaltungen programmiert, um einen echten Stereo-Ausgang zu erhalten, auch wenn das Eingangssignal mono ist. Außerdem hat Arturia dem Effekt einen Funktionsgenerator spendiert, wie man ihn auch schon von diversen Synths der V Collection kennt. Zu guter Letzt gibt es einen Hi-Pass Filter und die Möglichkeit das Stereobild zu regeln.

Hauptpanel …

Ganz links finden wir zunächst den Power-Button. Wenn er ausgeschaltet ist, befindet sich das Plugin im Bypass. Daneben gibt es den Mono/Stereo Schalter. Wenn dieser gedrückt wird (mono), wird jedes Eingangssignal in ein Mono-Signal umgewandelt und dann weiter verarbeitet. Falls man das Plugin auf einem Mono-Kanal einsetzt, ist dieser Schalter nicht vorhanden.

Der dritte Schalter auf der linken Seite ist im Original BF-20 nicht verbaut. Er schaltet den sogenannten Zero-Crossing Modus ein. Wenn dieser eingeschaltet wird, wird die Polarität des modulierten Signals umgekehrt und das trockene Signal verzögert. Klingt kompliziert … im Endeffekt wird der Flanger Effekt dadurch zur verstärkt.

Der Mix-Regler mischt das Originalsignal mit der Kopie. Bei 50% sind beide Signale gleich präsent und man bekommt den größten Effekt (Doppler). Wenn man ihn auf 100% (wet) dreht hört man nur das modulierte Signal. Das macht eigentlich nur Sinn, wenn man den Flanger als Send-Effekt einsetzt.

Der Regen(arate)-Regler regelt das Feedback, also den Anteil des modulierten Signals, das zurück in die Schaltung fließt. Dies verstärkt den charakteristischen Kammfilter-Effekt.

Auf der rechten Seite des Hauptpanels finden wir zunächst den Control Mode. Dieser beeinflusst den Effekt ganz erheblich. Es gibt den manuellen Mode, den Envelope Mode und den Auto Mode (LFO). Diese kann man nach Belieben kombinieren. Über den Schaltern gibt es eine Reihe von LEDs, die sehr schön die Bewegung des Effekts anzeigen.

Wenn der manuelle Mode aktiviert ist, kann man den Effekt über den grünen Regler daneben steuern. Außerdem habe man die Möglichkeit den Funktionsgenerator im erweiterten Panel dazuzuschalten. Wenn dieser genutzt wird, wir das mit der grünen LED über dem Regler angezeigt.

Der Envelope Mode nutzt einen internen Envelope Follower. Dieser reagiert auf das einkommende Audiosignal und regelt die Intensität des Effekts dementsprechend, ähnlich wie bei einem Autowah. Es gibt drei Kontrollmöglichkeiten für den Envelope Mode: Zunächst können wir die Empfindlichkeit (Treshold) einstellen. Es gibt einen Regler, der das Decay ändert und man kann den Envelope Follower auf intern und extern umstellen. Bei extern wird ein anderes Audiosignal (Sidechain) zur Steuerung genutzt.

Wenn man den Auto Mode anwählt, wird der Flanger mithilfe des eingebauten LFOs kontrolliert. Dies ist wohl die gängigste Methode einen Flanger zu steuern. Rate (Geschwindigkeit) und Depth (Amplitude) sind übliche Regler für einen LFO.

Der letzte Schalter des Hauptpanels ist der Reverse Sweep O/P 2. Hiermit wird der Sweep des rechten Kanals umgekehrt. Wenn also der Sweep des linken Kanals hochgeht, würde er dann auf dem rechten Kanal runtergehen. Das verändert das Stereobild natürlich entsprechend.

Das erweiterte Panel, dass man mithilfe der typischen Doppelpfeile oben rechts in der Menüleiste aufruft, wartet auf der linken Seite zunächst mit einem Hi-Pass Filter auf, dass die tiefen Frequenzen des modulierten Signals herausfiltert.

Mit dem Funktionsgenerator in der Mitte des Panels kann man den manuellen Modus drastisch erweitern. Er bietet eine gewisse Flexibilität, da man ihn ähnlich wie einen Step- oder Patternsequenzer nutzen kann, wie einen LFO, einen Envelope oder irgendwas dazwischen.

Um ihn zu aktivieren klickt man einfach den Schalter links daneben (Add To Manual). Dazu sollte der manuelle Modus im Hauptpanel natürlich aktiviert sein. Die gewünschte Funktion kann man mit diversen Tools einzeichnen. Man kann die Tiefe der Funktion einstellen, die Geschwindigkeit des Durchlaufs (auch synchron zur DAW) und es gibt einige Presets. Des Weiteren könnte man sich auch eine Funktion zufällig verändern lassen (Würfel Symbol).

Im nächsten Abschnitt des erweiterten Panels kann man die Form des LFOs ändern. Im Original Flanger BF-20 war dies einfach eine Dreieckswelle, diese ist hier standardmäßig ausgewählt.

Zu guter Letzt kann man das Stereobild des modulierten Signal noch verändern. Dies wird erreicht, indem man ein konstantes CV Offset (+ oder -) zu dem rechten Kanal hinzufügt. Es handelt sich also nicht um einen typischen Regler für die Breite des Stereosignals.

Fazit

Ich muss zugeben, dass ich kein großer Fan des Flangers bin … also so ganz allgemein, nicht speziell von diesem Effekt. Ich mag den Phaser einfach viel lieber, weil er etwas spaciger klingt 😉 Nichtsdestotrotz ist Arturia hier auch wieder ein schönes Plugin gelungen. Das GUI ist herzallerliebst und die Erweiterungen sind auf jeden Fall zeitgemäß.

Der Sound ist super und er machte mir am meisten mit elektrischen Pianos Spaß, kann aber jedem beliebigen Instrument etwas Interessantes geben. Ich glaube auch Vocals könnten vom Flanger BL-20 profitieren. Ich persönlich würde keine hundert Euro für den Flanger bezahlen, aber nur weil ich den Effekt ungern einsetze.

Allerdings reizt mich die komplette FX Collection von Arturia jetzt schon. Denn außer den drei neuen Modulationseffekten gibt es noch jeweils drei Filter, Reverbs, Kompressoren, Delays und PreAmps, die fast alle legendäre Hardware Geräte zum Vorbild haben und von Arturia zeitgemäß erweitert und ins digitale Zeitalter verfrachtet wurden…