Ich kenne keinen Musiker, der nicht irgendwo Aufnahmen von Stücken hat, die nie zu Ende gestellt wurden. Euphorisch begonnen und irgendwann einfach liegen gelassen, weil man an einer kniffligen Stelle nicht weiter wusste. Oder man hat seit längerem schon nicht mehr an neuem Material gearbeitet, weil die Luft irgendwie raus ist … je mehr man sich anstrengt, desto frustrierter gibt man wieder auf.

Kein geringerer als Brian Eno hat sich Mitte der 70er Jahre etwas einfallen lassen, um solchen Blockaden entgegen zu wirken. Er hat gemerkt, dass wenn man an einem Problem sitzt und sich immer stärker damit auseinandersetzt und bohrt, man unter Umständen nicht weiter kommt und dass ein Denken in eine vielleicht völlig andere Richtung eine Lösung sein könnte. Laterales Denken oder einfach Querdenken nennt man diese Kreativtechnik, dessen Name von Edward De Bono Ender der 60er Jahre geprägt wurde.

Brian Eno und David Byrne im Studio (Quelle: classicalbumsunday.com)

Brian Eno hat dann angefangen sich Ideen auf kleine Kärtchen zu schreiben um sich dann in kniffligen Situationen eine zufällig gewählte zu Betrachten und sich so daran zu erinnern, dass man eventuell irgendwie anders an das bestehende Problem rangehen könnte. In einem Interview aus den 70ern erklärte er seinen Ansatz:

The Oblique Strategies evolved from me being in a number of working situations when the panic of the situation – particularly in studios – tended to make me quickly forget that there were others ways of working and that there were tangential ways of attacking problems that were in many senses more interesting than the direct head-on approach. If you’re in a panic, you tend to take the head-on approach because it seems to be the one that’s going to yield the best results Of course, that often isn’t the case – it’s just the most obvious and – apparently – reliable method. The function of the Oblique Strategies was, initially, to serve as a series of prompts which said, “Don’t forget that you could adopt *this* attitude,” or “Don’t forget you could adopt *that* attitude.

Angeblich hat ein Freund Eno’s, der Maler Peter Schmidt etwa zur gleichen Zeit ebenfalls eine ähnliche Strategie für sich gefunden, die er passenderweise „The Thoughts behind Thoughts“ nannte.  Als sie beide entdeckten, dass sie dieselben Ideen diesbezüglich hatten, beschlossen sie etwas zu veröffentlichen, dass allen kreativ arbeitenden Menschen helfen soll. So entstanden dann die „Oblique Strategies“ Ein Set, bestehend aus über hundert Karten, auf denen jede einen anderen Denkanstoss enthält.

Einige von den Karten… (Quelle: paperposts.me)

Mach‘ etwas Perfektes menschlicher“ „Tue etwas Langweiliges“ oder „Verwandle ein melodisches Element in ein rhythmisches Element“ bekommt man zu lesen, wenn man sich einige der Karten anschaut. Sie helfen, die Dinge auch mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Es gibt mittlerweile auch zahlreiche Webseiten, auf denen man sich die Strategien per Zufall anzeigen lassen kann, eben als würde man sich wahllos eine Karte aus einem Stapel ziehen. Allerdings habe ich noch keine deutsche Version der Oblique Strategies entdeckt. Daher habe ich schnell eine angefertigt.

Unter strategien.tropone.de gibt es jetzt die Oblique Strategies online und auf deutsch. Viel Spaß beim Um-die-Ecke-denken …